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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Wunder bei diesem fürchterlichen Stinkkraut, dachte Tannenberg und spuckte einen Tabakkrümel in Richtung des ausgetrockneten Waldbodens. »Mal was anderes, Herr Cambeis: Sie haben doch Geschichte studiert.«
    »Whow, Herr Kommissar, Sie verstehen tatsächlich ihr Handwerk«, lobte der Waldarbeiter scheinheilig. »Was Sie schon so alles über mich herausgefunden haben. Respekt!«
    Warum provoziert mich der Kerl bloß andauernd?, grübelte der Leiter des K 1. Wenn er etwas mit dieser Sache zu tun hat, ist sein Verhalten doch völlig irrational. Denn jeder normale Mensch würde sich in solch einer prekären Situation betont zurückhalten und darauf achten, sich ja nicht verdächtig zu verhalten. Und was macht dieser Waldschrat? Genau das Gegenteil.
    »Kennen Sie eigentlich diese historischen Online-Rollenspiele?«, fragte Tannenberg so nebensächlich wie irgend möglich. Mal schauen, wie er jetzt reagiert, dachte er gespannt.
    Aber Cambeis zeigte noch nicht einmal die Spur einer verdächtigen Reaktion. Gelassen inhalierte er den Rauch und blies ihn durch ein kleinen Loch im Mundwinkel nach draußen. »Klar, kenne ich die. Auch in unserem Verein gibt es einige Spieler. Aber die machen das nur ab und zu mal. Selbst Manfred und ich spielen manchmal bei ›Spirit of History‹ mit.«
    »Welcher Manfred?«
    »Manfred Kreilinger.«
    Ach so, diese beiden Jagdheinis sind miteinander befreundet. Jetzt weiß ich auch, warum der Kerl sich mir gegenüber so merkwürdig verhält. Wahrscheinlich hat der Kreilinger ihn gegen mich aufgehetzt.
    »Das ist schon ein seltsames Völkchen, diese Rollenspieler, Herr Kommissar«, verkündete Konrad Cambeis.
    »Inwiefern?«
    »Rund um den Globus starten täglich bestimmt Hunderttausende oder gar Millionen von ihnen per Mausklick ins Mittelalter. Dabei sind die historischen Angaben in diesen Spielen so was von falsch, das gibt’s gar nicht.« Kopfschüttelnd klopfte er die Asche an seinem Zigarillo ab und scharrte sie mit der Fußspitze in den feinen roten Sand hinein. »Und wissen Sie, was das Komischste an diesen Leuten ist?«
    »Was?«
    »Echten Rollenspielern geht es nicht etwa darum, das Spiel zu gewinnen, sondern …« Er hielt inne, inhalierte schmunzelnd.
    »Sondern«, drängte Tannenberg.
    »Sondern für diese Typen besteht der ultimative Kick darin, aus ihrer eigenen Haut zu schlüpfen und sich möglichst realistisch in ihre Figur hineinzuversetzen. Viele von denen sind richtig süchtig nach einem Rollentausch. Da wird die fiktive Welt schnell zum Realitätsersatz und die Anerkennung der virtuellen Spielergemeinschaft wird sogar wichtiger als der berufliche Erfolg. Diese Internet-Junkies flüchten vor der Wirklichkeit und lassen sich als Helden des virtuellen Mittelalters feiern, vernachlässigen dabei jedoch ihr reales Umfeld. Oft haben diese Süchtigen keine Freunde mehr, sondern nur noch Internet-Bekannte, mit denen sie chatten.«
    »Haben Sie schon mal irgendwo die Signatur Johanna – Mission 370 gelesen?«
    »Johanna – Mission 370? Nein, noch nie gehört. Was soll das sein?«
    Nur einen Sekundenbruchteil lang hatten Cambeis Augen gezuckt und sich zu einem schmalen Schlitz verengt. Aber das reichte Tannenberg. Eben hast du dich verraten, mein lieber Waldschrat, jubilierte er in Gedanken. Er versuchte, sich seine Freude nicht anmerken zu lassen. Bin mal gespannt, wie du mit diesem Thema hier umgehst:
    »Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Jäger sind«, bemerkte er eher nebensächlich.
    Cambeis nickte.
    »Dann halten Sie doch sicherlich auch Jagdhunde, oder?«
    »Na, klar.«
    »Welche Rasse?«
    »Jagdterrier. Die sind besonders scharf.«

13
    Die Landesstraße 503 war an diesem heißen Julitag nur wenig befahren. Flirrende, von einer gleißenden Mittagssonne aufgeheizte Asphaltflächen wechselten sich mit beschatteten Passagen ab. Wohin man auch blickte, überall konnte man erkennen, dass die Natur gierig nach Wasser lechzte. Aber am azurblauen Himmel war weit und breit kein einziges Wölkchen zu entdecken.
    Aufgrund der wochenlangen Dürre waren die kleinen Weiher im Hirschsprungtal inzwischen ausgetrocknet. Die Laubbäume am Straßenrand hatten auf die andauernde Trockenheit mit einer Art Notfallprogramm reagiert: Um das kostbare Nass einzusparen, entzogen sie ihren Blättern nach und nach die lebensnotwendige Feuchtigkeit; manche von ihnen hatten sich schon vollständig ihrer welken, blassgrünen Belaubung entledigt.
    »Kahle Bäume mitten im Sommer, so was Ödes«,

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