Jan Fabel 01 - Blutadler
aufgegangen war. Angeblich war Svensson verbrannt. Aber die Polizei hatte die zahnärztlichen Unterlagen, die für die Bestätigung der Identität der gefundenen Leiche notwendig waren, nicht aufspüren können. Denn Svensson, der vollendete Terrorist, hatte Jahre damit verbracht, seine Existenz in sämtlichen Unterlagen auszuradieren.
Marlies Menzel antwortete nicht sofort. Sie lehnte sich zurück, zog an ihrer Zigarette und musterte Fabel. »Ja, Herr Fabel. Karl-Heinz ist in dem Auto gestorben. Das kann ich Ihnen versichern.«
Fabel glaubte ihr. »Ich muss dringend zurück nach Hamburg«, sagte er. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört habe.«
»Oder tut es Ihnen einfach Leid, die Vergangenheit aufgerührt zu haben? Dorthin gehöre ich: in unsere Vergangenheit. Gisela gehört ebenfalls dorthin.« Sie legte eine Pause ein. »Haben Sie erfahren, was Sie erfahren wollten, Herr Fabel?«
Er lächelte und stand auf. »Ich weiß nicht einmal, was ich erfahren wollte. Ich hoffe, Ihre Ausstellung hat Erfolg.«
»Ein Akt der Schöpfung. So etwas wie eine Sühne für die Akte der Vernichtung, an denen ich beteiligt war. Ein angemessenes Ende, finde ich. Wissen Sie, Herr Fabel, mein Debüt wird nämlich auch mein Finale sein.« Sie ließ etwas Asche in den Behälter auf dem Tisch fallen.
»Bitte?« In Fabels Miene zeigte sich Verwirrung.
Marlies Menzel hob ihre Zigarette und betrachtete sie eingehend.
»Ich habe Krebs, Herr Fabel.« Sie lächelte traurig. »Im Endstadium. Das war einer der Gründe dafür, dass ich vorzeitig entlassen wurde. Wenn Sie hierher gekommen sind, um Gerechtigkeit zu suchen, dann ist das alles, was ich Ihnen bieten kann.«
»Das tut mir Leid«, versicherte Fabel. »Auf Wiedersehen, Frau Menzel.«
»Auf Wiedersehen, Herr Kriminalhauptkommissar.«
Hamburg-Pöseldorf.
Donnerstag, den 19. Juni, 18.00 Uhr
Auf der Rückfahrt von Bremen rief Fabel in der Mordkommission an und beauftragte Maria, sämtliche verfügbaren Informationen über Wolfgang Eitel zusammenzustellen. Da es in der Kommission nichts Neues gab, teilte Fabel ihr mit, er werde erst am Morgen vorbeischauen. Dann legte er auf, wählte eine weitere Nummer und bat, ihn mit Brauner zu verbinden. Der Chef des Tatort-Teams berichtete, dass Schreibers Fingerabdrücke mit dem zweiten in Angelika Blüms Wohnung gefundenen Satz übereinstimmten. Diesmal belastete die Anwesenheit von Fingerabdrücken den Verdächtigen nicht, sondern entlastete ihn vielmehr. Wenn Schreiber ihr Mörder gewesen wäre, hätte er alles getan, um seine Spuren in der Wohnung zu entfernen. Und Son of Sven hatte an den anderen Tatorten kein einziges Indiz hinterlassen.
Fabel hatte einen Platz in einem unterirdischen Parkhaus an seiner Straße gemietet. Es war zwanzig Uhr, als er seinen Wagen dort abstellte. Er stieg aus, drückte sich die Hände ins Kreuz und wölbte den Rücken, um einen Teil der Steifheit und Müdigkeit abzuschütteln. In diesem Moment wurde er sich zwei großer, hinter ihm stehender Männer bewusst. Er wirbelte herum und legte instinktiv die Hand an seine Waffe. Beide Männer lächelten und hoben die Hände zu einer versöhnlichen Geste. Die schwarzen Haare des einen waren dicht gelockt, die des anderen glatt zurückgestrichen. Der Gelockte trug außerdem einen unglaublich langen und üppigen Schnurrbart zur Schau.
Die beiden waren offensichtlich Türken. Der Gelockte sagte: »Bitte, Herr Fabel, wir wollen keine Schwierigkeiten, und wir hatten nicht vor, Sie zu erschrecken. Herr Yilmaz schickt uns. Er würde gerne mit Ihnen reden. Jetzt sofort, wenn es Ihnen passt.«
»Und wenn nicht?«
Der Gelockte zuckte die Achseln. »Das bleibt natürlich Ihnen selbst überlassen. Aber Herr Yilmaz hat etwas für Sie, das für Ihre Ermittlung wichtig sein könnte.«
»Wo ist er?«
»Wir sollen Sie zu ihm bringen« Das Lächeln des Gelockten wurde breiter, was Fabel keineswegs als beruhigend empfand. »Wenn Sie damit einverstanden sind.«
Fabel schüttelte den Kopf. »Ich nehme meinen Wagen und folge Ihnen.«
Die beiden schweren Jungen hatten draußen einen VW Polo stehen. Fabel folgte ihnen durch die Stadt nach Harburg. Er rief die Mordkommission an und ließ Werner wissen, dass er zu einem Treffen mit einem Gewährsmann unterwegs war, doch er erwähnte Yilmaz' Namen nicht. Werner war dafür, ein vollständiges Team zur Unterstützung auszuschicken, doch Fabel befahl ihm, zunächst abzuwarten. Sobald er wisse, wo das Treffen stattfinden
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