Jan Fabel 01 - Blutadler
sich die Frage stellen, Herr Fabel, woher diese Information stammt und ob die Urheber ein Interesse daran haben, Sie irrezuführen. Vadim ist tatsächlich einer von Witrenkos Männern - Vadim Redtschenko -, und Klugmann dürfte erste Kontakte zu ihm geknüpft haben. Doch er hat auch drei Gespräche mit Witrenko geführt. Über das Ergebnis kann ich nur Vermutungen anstellen, aber die blutigen Folgen von Witrenkos Entscheidung sind Ihnen bekannt.«
»Behaupten Sie, dass Witrenko diese grässlichen Morde begeht?«
»Dessen bin ich mir sicher, Herr Hauptkommissar.«
Hamburg-Altona,
Freitag, den 20. Juni, 21.25 Uhr
Anna hatte scheinbar ungezwungen mit MacSwain geplaudert, doch mit ihren gelegentlichen Blicken durch das Beifahrerfenster oder die Windschutzscheibe des Porsches, die Straßenschildern oder sonstigen Wahrzeichen galten, hatte sie sozusagen Rettungsleinen ausgeworfen. Der Wagen steuerte auf die Elbe zu. Wohin, zum Teufel, brachte er sie?
»Ich bin gespannt«, meinte Anna und ließ ihre Stimme so ruhig klingen, wie es ihr möglich war.
MacSwain lächelte. »Ich plane etwas ganz Besonderes für dich, Sara. Du wirst es nicht vergessen. Das verspreche ich dir.«
Paul Lindemann fuhr zusammen, als hätten MacSwains Worte, die er über Annas Sender mitgehört hatte, ihn körperlich verletzt. Er wandte sich an Maria, die wie er auf dem Rücksitz des Mercedes-Lieferwagens Platz genommen hatte. »Das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Bisher ist nichts gesagt oder getan worden, was uns veranlassen sollte einzugreifen. Anna hat die Sache unter Kontrolle. Und wir sind ihr dicht auf den Fersen. Beruhige dich.«
Pauls leerer Blick erweckte nicht den Eindruck, dass er überzeugt oder beruhigt war. Er hob das Mikrofon des Funkgeräts an die Lippen und verlangte einen Bericht von beiden Observationsfahrzeugen. Die Besatzungen bestätigten, dass sie einen guten visuellen Kontakt hatten.
»Die Zielperson ist gerade in die Helgoländer Allee eingebogen und bewegt sich nach Süden«, meldete die Funkstimme des ersten Wagens. »Wir scheinen auf die Landungsbrücken zuzusteuern.« Paul packte das Mikrofon fester, als könne er aus ihm befriedigendere Informationen herausquetschen.
»Kastor vier/eins an Kastor vier/zwei«, erklang die Nachricht aus dem ersten an das zweite Fahrzeug. »Ich werde mich jetzt zurückfallen lassen. Überhol uns und übernimm die Führung. Kastor vier/vier ...«
Nun kontaktierte der erste Wagen einen der Motorradfahrer. »Sieh mal zu, ob du ihn vor den Landungsbrücken überholen kannst.«
Stille.
Pauls Geduldsfaden riss erneut. »Kastor vier/null an Kastor vier/ vier«, rief er. »Meldung!«
»Wir sind auf die Landungsbrücken eingebogen.« Verwirrt fuhr der Motorradfahrer fort: »Sie scheinen auf den Baumwall und den Niederhafen zuzuhalten ... oder vielleicht auf den Hanseboothafen. Die Zielperson ist nun auf dem Johannisbollwerk.«
Anna spürte, wie sich der Knoten in ihrem Magen noch enger zusammenschnürte. MacSwain bog auf die Pontons ein, die den Niederhafen und den Schiffbauerhafen mit seinen Anlegeplätzen für Aussteller und Besucher der Hanseboot voneinander trennen. Er stoppte den Porsche und ging auf ihre Seite, um die Tür für sie zu öffnen. Anna blieb einen Moment lang regungslos sitzen. Sie hörte das Knarren und Dröhnen aus dem Wald der sie umgebenden Yachtmasten. »Nun komm schon«, sagte MacSwain geduldig. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Anna zitterte unwillkürlich, als sie aus dem Wagen stieg, obwohl der Abend alles andere als kühl war. MacSwain bemerkte es nicht, weil er sich auf den Rücksitz gebeugt hatte, um den Picknickkorb hervorzuholen. Er ließ die Tür zufallen, verschloss den Porsche mit der elektronischen Verriegelung und schaltete die Alarmanlage ein. Dann reichte er, den Korb in der anderen Hand, Anna den Arm. Sie lächelte und hakte sich ein. Sie schritten am Kai entlang auf die Überseebrücke zu. Plötzlich blieb MacSwain neben einem eleganten, teuer wirkenden Kajütboot stehen.
»Da sind wir. Bequem und schnell. Über neun Meter lang. Über drei Meter breit.«
Anna betrachtete das Boot. Es war schneeweiß und hatte eine blaue Linie am Bug. Man konnte es als das maritime Gegenstück zu MacSwains Porsche bezeichnen. »Wunderschön.« Annas Stimme klang hohl. Sie hatte keine Ahnung, was sie als Nächstes tun sollte.
»Scheiße! Er hat ein Boot.« Paul starrte Maria an. »Wenn er einsteigt und den Hafen verlässt, dann werden
Weitere Kostenlose Bücher