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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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machte nichts. Es genügte, dass ich eine schöne Stiefmutter und eine ebensolche Tochter gefunden hatte, eines der gebräuchlichsten Märchenmotive. Da Imogen kein dunkles Haar hatte, konnte ich sie nicht Schneeweißchen spielen lassen. Dafür besaß sie glänzende goldene Haare, auf die sie offenbar recht stolz war. Ich hatte meine Rapunzel gefunden! Ich vermied es, irgendeinen Kontakt zu Frau X oder Imogen entstehen zu lassen, denn das hätte mich in Zukunft belasten können, und machte mich daran, meine Nachschöpfung zu planen.
    Im Laufe der vorhergehenden Monate hatte ich eine große Menge Laudanum erworben. Ich erhielt es nach und nach, indem ich auf meinen Reisen verschiedene Ärzte wegen vorgeblicher Schlaflosigkeit aufsuchte. Wieder machte ich mich über die Bewegungen meines Objekts kundig und wählte die beste Gelegenheit zuzuschlagen. Imogen begab sich täglich auf einen Spaziergang in dem bewaldeten Park im Norden der Stadt. Als junge Dame aus gutem Hause wurde sie stets von einer Gefährtin begleitet. Ich kannte weder die Identität von Imogens Anstandsdame, noch hatte ich das geringste Interesse an ihr, doch sie war eine stumpfe, reizlose Begleiterin, wie sie sich schöne Frauen üblicherweise wählen, um ihre eigene Wohlgestalt hervorzuheben. Ich begann die Gefährtin wegen der Albernheit ihrer Kopfbedeckung zu verabscheuen: einer lächerlich bunten Haube, für die sie sich vermutlich in der irrigen Annahme entschied, sie mildere die Schlichtheit ihrer Züge.
    Auf einer bestimmten Strecke des Pfades waren die beiden Spaziergängerinnen zeitweilig vor den anderen Parkbesuchern verborgen. Und an jenem Tag hatte der verhangene Himmel viele daran gehindert, sich ins Freie zu begeben, was mir glücklicherweise eine Flucht im Schutz der Bäume gestattete. Ich näherte mich den Frauen von hinten und schlug, nicht ohne Genuss, mit einer schweren Eisenstange, die ich unter meinem Umhang versteckt hatte, auf den albern geschmückten Kopf der Begleiterin ein. Doch ich war in einer solchen Eile, Imogen zu überwältigen, dass ich nur die flüchtigste Befriedigung über die Art empfinden konnte, mit der ich die lächerliche Haube der Begleiterin in ihren zerschmetterten Schädel gezwungen hatte.
    Imogen begann jedoch zu schreien, und ich war genötigt, ihr einen kräftigen Hieb ans Kinn zu versetzen. Das beunruhigte mich sehr, denn jegliche Beschädigung ihrer Schönheit gefährdete den Erfolg meiner Nachschöpfung. Ich hob sie auf und trug sie zwischen die Bäume, gerade weit genug, dass sie außer Sicht war. Dann zerrte ich die tote Gefährtin in den Wald. Eine Blutlache hatte sich um ihren hässlichen Kopf gebildet und besudelte das Pflaster, während sich ihre Haube von ihrem zerschmetterten Schädel trennte und eine graue Masse hervorquoll. Ich muss zu meiner großen Beschämung gestehen, dass ich einen recht üblen Fluch ausstieß, als ich sie hinwegschleifte. Nachdem ich einige reichlich mit Blättern bestückte Zweige gesammelt hatte, kehrte ich zurück, um den Schmutz wegzufegen, aber es gelang mir nur, den Fleck noch weiter auszubreiten.
    Ich wusste, dass ich die Entdeckung – die wohl baldige Entdeckung – der Leiche nicht verhindern konnte, doch das focht mich nicht an, denn es war einzig wichtig, Imogen rasch und unbemerkt aus dem Park fortzubringen. Ich hatte eine Droschke am fernen Ende des Waldes zurückgelassen, hievte mir Imogen über die Schulter und trug sie mit der Hast davon, die mir meine Bürde und das Gelände erlaubten. Imogen begann, sich zu rühren, als ich sie in meine Kutsche legte, aber ich machte sie gefügig, indem ich ihr ein wenig Laudanum in die Kehle träufelte.
    Ich hatte mich als Kutscher verkleidet, und nachdem ich Imogen in der Kabine der Droschke untergebracht hatte, kletterte ich auf den Bock der Droschke und entschwand ohne Eile. Niemand hatte mich bei meiner Entführung bemerkt. Mehr noch: Durch einen sehr glücklichen Zufall wurde die Leiche der Gefährtin nicht innerhalb von Minuten, wie ich befürchtet hatte, sondern erst viel später amTag gefunden, nachdem Leute aus der Stadt, die sich um die Sicherheit der verschwundenen Damen sorgten, eine Suche eingeleitet hatten.
    Der Notwendigkeit eines Verstecks eingedenk hatte ich mir in Lübeck eine von dem Quartier meines Bruders getrennte Unterkunft verschafft: ein kleines Haus am Stadtrand. Nach Einbruch der Dunkelheit schleppte ich Imogen, die ich fortan »Rapunzel« nennen werde, ins Haus und trug sie ins

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