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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Überlegt. Behutsam. Danach ist er eine Weile stehen geblieben und hat sich die Leichen angeguckt – wieder so, als hätte er keine Eile, als könnte niemand vorbeikommen. Er stand nur da und guckte sie an. Dann ist er ein bisschen zur Seite getreten und hat sie noch einmal angeschaut. Am Ende hat er Schillers Leiche in den Wald geschleppt.«
    »Sind Sie hinübergelaufen, um nachzusehen, ob Hanna noch am Leben war?«, fragte Anna.
    Olsen schüttelte den Kopf. »Ich hatte zu viel Angst. Außerdem wusste ich, dass sie tot war. Ich hab gewartet, bis der große schwarze Mann mit Schillers Leiche im Wald verschwunden war. Dann bin ich an die Stelle zurückgeschlichen, wo ich das Motorrad versteckt hatte. Ich habe es noch etwa hundert Meter den Pfad entlang geschoben. Er sollte nicht hören, wie ich den Motor anließ. Dann bin ich so schnell wie möglich davongerast. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Niemand würdemeine Geschichte glauben, also hab ich einfach so weitergemacht, als wäre nichts geschehen. Gott weiß, warum, aber ich hab gedacht, es wäre das Beste, nichts mit der Sache zu tun zu haben. Aber auf der Rückfahrt habe ich an einer Raststätte Halt gemacht und die Polizei angerufen. Ich hab gedacht, dass Sie ihn vielleicht noch erwischen – schließlich schien er nicht in Eile zu sein. Und wenn Sie ihn dort geschnappt hätten, wäre ich aus dem Schneider gewesen.«
    Anna legte ein Band in den Kassettenspieler und drückte auf den Knopf. Es war die Aufnahme des Anrufs bei der Polizeieinsatzzentrale. Die Stimme am anderen Ende der Leitung war gedehnt vor Erschütterung, aber es handelte sich offenkundig um Olsen. Er teilte der Polizei mit, wo die Leichen zu finden seien.
    »Bestätigen Sie, dass das Ihre Stimme ist?«, fragte Anna.
    Olsen nickte. Er blickte Fabel wieder flehend an. »Ich habe es nicht getan, das schwöre ich. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Aber wahrscheinlich werden Sie mir nicht glauben.«
    »Möglicherweise doch«, erwiderte Fabel. »Aber Sie müssen noch einige Fragen beantworten, und es gibt weitere Anklagepunkte gegen Sie.« Er schaute zu Olsens mausähnlichem Anwalt hinüber. Der Mann nickte. »Kriminalkommissarin Wolff wird Sie nach den anderen Morden befragen: danach, wo Sie zum Zeitpunkt der Morde waren und was Sie über die Opfer wissen.« Fabel stand auf und lehnte sich an den Vernehmungstisch. »Sie stecken immer noch im Schlamassel, Herr Olsen. Sie sind die einzige Person, der wir nachweisen können, dass sie am Tatort war, und Sie haben ein Motiv. Ich rate Ihnen, sämtliche Fragen von Frau Wolff vollständig und wahrheitsgetreu zu beantworten.«
    Anna bat Olsens Anwalt: »Entschuldigen Sie mich einen Moment«, und folgte Fabel hinaus auf den Korridor.
    »Glaubst du ihm?«, fragte sie, als niemand in der Nähe war.
    »Ja. Wirklich. Es gab immer etwas an Olsen, das nicht ins Bild passte. Diese Morde waren keine Verbrechen aus Leidenschaft. Jemand plant das Ausleben dieser grässlichen, wahnsinnigen Fantasien sehr sorgfältig.«
    »Glaubst du wirklich, dass Olsen Angst vor einem anderen Mann hätte? Er hat sich auf einen Kampf mit Werner eingelassen, und Werner ist kein Leichtgewicht.«
    »Stimmt. Aber ich glaube, Olsen hat mehr von Maria als von Werner zu fürchten.« In Fabels Lächeln zeigte sich eine Spur von Missbilligung. »Ich hoffe, sie ist nicht bei dir in die Lehre gegangen, Anna.«
    Sie reagierte mit einer verständnislosen Miene. Dadurch kam unter dem kurzen, stacheligen schwarzen Haar und hinter dem Make-up eine schulmädchenhafte Unschuld hervor. Fabel hatte sie bereits zweimal wegen ihres aggressiven Verhaltens verwarnt.
    »Jedenfalls«, fuhr sie fort, »weiß ich nicht, ob Olsens Geschichte von dem gespenstischen Riesen genügt, um ihn zu entlasten. Schließlich haben wir nur seine eigene Aussage.«
    »Ich glaube ihm. Er hat Angst gehabt dort draußen im Naturpark… Todesangst. Der Mörder ist besessen von den Grimm’schen Märchen… Und Olsen hatte keine Angst davor, sich mit einem anderen Mann, einem anderen Kraftprotz, anzulegen. Er war allein in der Finsternis, im Wald, und hat etwas gesehen, das nicht menschlich zu sein schien. Das hat ihn erschreckt… Das Gespenst, der Menschenfresser, der Werwolf. Ich konnte zuerst nicht begreifen, weshalb Olsen wie angewurzelt dastand. Aber dort draußen war er nicht der klotzige Schläger, der bei uns im Vernehmungszimmer sitzt, sondern ein kleiner Junge, der eine Gruselgeschichte gehört hat und dann unter einem

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