Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
zieht, wimmelt es in den Augenhöhlen von den Fischen. Er stellte sich vor, wie der Tote aus dem Wasser gezogen wurde und wie sich die Aale an ihre kostbare Nahrungsquelle klammerten. Sein Ekel verstärkte sich. Er schloss die Augen einen Moment lang und konzentrierte sich darauf, die Übelkeit in seiner Brust zu verdrängen, bevor er sagte: »Die Verformung um den Rumpf. Haben Sie eine Ahnung, wie die zustande gekommen ist?«
    »Ja«, erwiderte der Hafenkommissar. »Ein Seil war um den Körper geknotet worden. Wir haben ziemlich viel davon geborgen. Wahrscheinlich war daran ein Gewicht befestigt, bevor er ins Wasser geworfen wurde. Offenbar ist das Seil gerissen, oder das Gewicht hat sich irgendwie von ihm gelöst. Deshalb ist er an die Oberfläche getrieben.«
    »So? Nackt?«
    »Ja. Keine Kleidung, kein Ausweis – nichts.«
    Fabel nickte dem Sektionsgehilfen zu, der die Leiche zurück in das Kühlfach gleiten ließ und die Tür zuschlug. Ihr Geist blieb in der Leichenhalle als Verwesungsgestank zurück. »Wenn’s recht ist«, sagte Fabel zu den beiden anderen Beamten, »sollten wir jetzt hinausgehen.«
    Er führte Maria und den Wasserschutzpolizisten an die frische Luft des Parkplatzes. Niemand sprach, bis sie unter freiem Himmel waren, und auch dann erst, nachdem sie einen tiefen, reinigenden Atemzug genommen hatten.
    »Herrje, das war fürchterlich«, seufzte Fabel schließlich. Er ließ sein Handy aufschnappen und rief Holger Brauner an. Der Spurensicherungschef sollte einen DNS -Test durchführen, um festzustellen, ob das zusätzliche Augenpaar, das sie auf dem Friedhof gefunden hatten, zu der Leiche aus dem Fluss gehörte. Nachdem Fabel das Telefonat beendet hatte, dankte er dem Hafenpolizisten für seine Mühe. Als sie allein waren,fragte er Maria: »Weißt du, was das Seil und das Gewicht zu bedeuten haben?«
    »Ja«, antwortete sie. »Diese Leiche sollten wir nicht finden.«
    »Ganz genau. Nehmen wir einmal an, dass die zusätzlichen Augen von diesem Körper stammen. Dann ist das Opfer schlicht ein Organspender. Es wurde nur wegen seiner Augen getötet.«
    »Das könnte sein.«
    »Vielleicht. Aber gewinnt die Szene wirklich sehr dadurch, dass Gretel ein zweites Paar Augen ›zugeworfen‹ wird? Warum hat er nicht einfach Ungerers Augen benutzt? Oder wenn er glaubte, mehr als ein Paar Augen zu benötigen, warum dann nicht noch mehr? Warum kein halbes Dutzend?«
    Maria runzelte die Stirn. »Worauf willst du hinaus?«
    »Ich bin genau wieder dort, wo ich war, als wir in Olsen unseren Hauptverdächtigen sahen… als wir ein Motiv für einen Mord an Grünn und Schiller hatten, aber für keinen der anderen Fälle.« Er nickte zum Institut für Rechtsmedizin hinüber. »Der Mann da ist nicht nur wegen seiner Augen gestorben, sondern aus einem bestimmten Grund. Er dient einem Ablenkungsmanöver, dass der Mörder vornehmen musste. Deshalb wollte er nicht – oder hielt er es nicht für nötig –, dass wir die Leiche finden.«
    »Warum?« Marias Stirn lag immer noch in Falten. »Warum musste er diesen Mann umbringen?«
    »Vielleicht ahnte er, wer die Morde verübt. Oder vielleicht hatte er Informationen, die der Mörder uns vorenthalten wollte.« Fabel stemmte die Hände in die Hüften und wandte das Gesicht zum grauen Himmel empor. Er schloss die Augen und rieb sich erneut die Schläfen. »Sieh zu, ob die Spusi noch ein paar anständige Fingerabdrücke machen kann, und lass seine Tätowierungen fotografieren. Und wenn wir bei jedem Tätowierer in Hamburg vorsprechen – wir müssen seine Identität feststellen.«
    Während sie zum Präsidium zurückfuhren, brach der Sturm los, der den ganzen Tag in der drückenden Luft gelauert hatte.

55.
    Hamburg-St. Pauli, Montag, den 26. April, 15 Uhr
    Wie Anna vorausgesagt hatte, war Fendrich nicht in der Lage gewesen, ein entlastendes Alibi für den Abend des letzten Mordes vorzuweisen. Er hatte nicht einmal behauptet, er habe ferngesehen, und dann das Abendprogramm beschrieben. Stattdessen wollte er gelesen und sich auf den Schulunterricht des folgenden Tages vorbereitet haben. Offenbar hatte Anna inzwischen Mitleid mit Fendrich. Er war anscheinend völlig verstört über den Missbrauch des Grabes seiner Mutter gewesen. Fabel fand, dass Anna etwas zu weit gegangen war, weil sie Fendrich beruhigend mitgeteilt hatte, dass ihn der wirkliche Mörder laut der Theorie des Hauptkommissars nur zur Ablenkung benutze.
    Zumindest wussten sie nun, wem die Augen gehörten. Die

Weitere Kostenlose Bücher