Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
sprechen?« Sie grinste. »Nicht, dass ich nicht froh wäre, dich zu sehen. Aber es klang so, als wolltest du über den Fall reden, und du weißt ja, wie ich zu beruflichen Gesprächen in der Freizeit stehe.«
Fabel brachte sie zum Schweigen, indem er sie an sich zog und sie lange und intensiv küsste. Als er sie losließ, blickte er sie unverwandt an. »Nein«, sagte er schließlich. »Ich bin nicht hergekommen, um mit dir über den Fall zu reden. Ich habe gründlich nachgedacht. Über uns beide.«
»Oh… Das klingt bedrohlich.«
»Wir scheinen in unserer Beziehung keine Fortschritte zu machen. Vielleicht weil wir beide auf unsere Art zufrieden sind. Und möglicherweise willst du nicht mehr als das, was wir haben.« Er suchte in ihren Augen nach einer Reaktion, doch er nahm nichts als Geduld wahr. »Es hat mich aus der Bahn geworfen, dass meine Ehe zerbrochen ist. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe, aber vielleicht hätte ich mehr tun sollen, um sie am Leben zu erhalten. Ich möchte nicht, dass uns das Gleiche passiert. Du bist mir sehr wichtig, Susanne. Ich möchte, dass es mit uns klappt.«
Sie lächelte und liebkoste seine Wange erneut. Ihre Hand war durch das Weinglas kühl geworden. »Aber Jan, alles ist bestens. Ich möchte auch, dass es klappt.«
»Wir sollten zusammenleben.« Sein Tonfall war entschieden, fast schroff. Dann lächelte er, und seine Stimme wurdesanfter. »Es wäre wirklich schön, wenn wir zusammenleben könnten, Susanne. Was meinst du?«
Sie zog die Augenbrauen hoch und atmete tief aus. »Wow. Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht, Jan. Wir brauchen beide unseren Freiraum. Wir sind beide sehr eigenwillig. Das ist zurzeit kein Problem, aber wenn wir zusammenleben würden… Ich weiß nicht, Jan. Wie du sagst: Wir kommen gut miteinander aus, und ich möchte das nicht vermasseln.«
»Das würde nicht passieren. Ich glaube, wir würden stärker werden.«
»Ich war schon einmal in einer Beziehung.« Susanne schwang die Beine von der Couch. Sie beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und hielt ihr Weinglas mit beiden Händen fest. »Wir haben eine Zeit lang zusammengelebt. Zuerst habe ich es nicht gemerkt, aber er war ein sehr besitzergreifender Mensch.« Sie lachte bitter. »Ich, die Psychologin, konnte einen Kontroll-Freak nicht durchschauen. Jedenfalls war es nicht gut für mich. Ich fühlte mich herabgesetzt und wertlos. Bald glaubte ich nicht mehr an mich selbst und an mein eigenes Urteil. Ich bin aus der Beziehung rausgegangen, bevor er meine letzte Selbstachtung zerstören konnte.«
»Und du denkst, dass ich auch so bin?«
»Nein… natürlich nicht.« Sie nahm seine Hand. »Ich habe einfach lange gebraucht, um wieder ein gewisses Gefühl der, na ja, Unabhängigkeit aufzubauen.«
»Mein Gott, Susanne, ich suche keine Hausfrau, sondern eine Partnerin. Jemanden, mit dem ich mein Leben teilen kann. Und der Grund, warum ich das tue, bist ganz allein du. Bevor ich dich kennen lernte, habe ich keinen Gedanken darauf verwandt. Magst du nicht wenigstens mal darüber nachdenken?«
»Natürlich, Jan. Ich sage nicht nein, ganz und gar nicht, aber ich brauche noch etwas Zeit.« Sie lächelte strahlend. »Hör zu, nimm mich mit nach Sylt, wie du es seit einer Ewigkeit versprichst. Ins Hotel deines Bruders. Wenn du das tust, werde ich dir eine Antwort geben.«
Fabel lächelte zurück. »Abgemacht.«
Sie hatten sich gierig und leidenschaftlich geliebt, und ein Gefühl der Zufriedenheit hatte Fabel in einen tiefen Schlaf fallen lassen – tiefer und fester als seit Wochen.
Dann wachte er jäh auf. Etwas hatte nach ihm gegriffen und ihn an die Oberfläche gezogen. Er lag mit weit aufgerissenen Augen da und beobachtete die Schatten an der Decke. Susanne neben ihm schlief. Etwas in einer dunklen, fernen Ecke seines Geistes wollte unbedingt herausgelassen werden. Er setzte sich auf den Bettrand. Was konnte es sein? Etwas, das gesagt worden war oder das er gesehen hatte? Oder beides? Auf jeden Fall hatte es mit den Morden zu tun: irgendein Anhaltspunkt, den er am Rande seines Bewusstseins wahrgenommen hatte. Er stand auf, schritt durch das Wohnzimmer und schaute durch Susannes Fenster. Ihre Wohnung konnte sich, was die Aussicht anging, nicht mit der von Fabel messen. Man blickte über den Park hinweg zur Elbe hinunter, aber die Perspektive wurde durch andere Gebäude eingeengt. Zwei Autos fuhren vorbei und steuerten auf die Liebermannstraße zu. Ein einsamer Hund
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