Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
hatte.
Er lauschte der Musik noch einen Moment lang, bevor er den CD -Player abstellte. Dann setzten Maria und er die Durchsuchung fort: ein ruhiger, doch unerbittlicher Übergriff in die Privatsphäre eines anderen. Sie blätterten Lauras Bücher durch, kramten in ihren Nachttischen, in dem Umkleideraum neben dem Schlafzimmer und in ihren Kosmetika in dem mächtigen, aus den Dreißigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts stammenden Frisiertisch mit dem beleuchteten Spiegel.
Fabel und Maria näherten sich dem hinteren Teil des Hauses. Eine Tür mit Doppelpaneelen führte zu einem langen Swimmingpool. Das Becken zog sich an der einen Wand entlang, während sich auf der anderen eine Umkleidekabine und eine Sauna befanden. Die Fenster am gegenüberliegenden Ende des Pools nahmen die gesamte Wand ein. Fabel konnte nichts als den Himmel sehen. Es war, als betrachte man ein sich bewegendes Wolkengebäude.
»Wow«, hörte er Maria neben sich sagen. »Das muss ein Vermögen gekostet haben.«
Fabel stellte sich vor, in diesem Pool zu schwimmen, dem Himmel entgegen. Wie in dem karg möblierten Zimmer hatte Laura von Klosterstadt hier etwas von sich selbst zurückgelassen. Dies war ein weiterer Ort der einsamen Betrachtung. Aus irgendeinem Grund wirkte die Vorstellung albern, dass hier eine Poolparty veranstaltet werden könnte. Fabel ging am Schwimmbecken entlang zur Fensterseite. Von dort konnte er auf die Terrassen von Blankenese hinabschauen, die steil unter ihm abfielen, bis sich der Boden zum Elbufer und dann zum grünen Flickwerk des Alten Landes hin ebnete. Laura hatte sich über alle anderen erhoben. Außer Reichweite.
Das plötzliche Klingeln von Fabels Handy, das sich in dem gekachelten Poolraum verstärkte und widerhallte, ließ beide Polizisten zusammenschrecken.
»Hallo Chef. Seid ihr noch in Laura von Klosterstadts Haus?«, fragte Anna.
»Ja. Maria und ich sind beide hier.«
»Gibt es dort vielleicht einen Swimmingpool?«
Fabel blickte verwirrt um sich, als müsse er bestätigen, wo er war. »In der Tat. Wir stehen gerade am Pool.«
»An deiner Stelle würde ich den Ort sichern, Chef. Ich schicke Herrn Brauner und sein Team sofort rüber.«
Fabel betrachtete das samtene Wasser. Er kannte die Antwort, bevor er die Frage stellte: »Was habt ihr herausgefunden, Anna?«
»Dr. Möller hat uns gerade Laura von Klosterstadts Todesursache mitgeteilt. Sie ist ertrunken. Das Wasser in ihrer Lunge und in ihren Luftwegen war gechlort. Es stammt aus einem Swimmingpool.«
32.
Hamburg-Bergedorf, Dienstag, den 30. März, 14.40 Uhr
Fabel verschätzte sich bei den Hausnummern und parkte zu weit unten in der Ernst-Mantius-Straße. Während er die kurze Strecke zurücklegte, kam er an drei imposanten Villen vorbei, von denen jede auf ihre eigene subtile Weise Reichtum ausstrahlte. Bergedorf lag von Blankenese aus auf der anderen Seite der Stadt, doch auch hier wurde Fabel unübersehbar daran erinnert, dass Hamburg die wohlhabendste Stadt Deutschlands war und welche Grenzen ihm sein eigenes Gehalt setzte.
Bergedorf gehört zwar zu Hamburg, aber es hat seine eigene Identität und ist als »Stadt in der Stadt« bekannt. Fabel befand sich im Bergedorfer Villenviertel, wo jedes der Häuser, an denen er vorbeischlenderte, mehrere Millionen Euro wert war. Schließlich erreichte er die gewünschte Hausnummer. Wie die Nachbargebäude war auch diese Villa dreistöckig. Die Wände waren in einem diskreten Blaugrau gehalten, von dem sich der weiße Stuck klar und frisch abhob. Eines der Zimmer im Erdgeschoss ragte hinaus in den Garten, und seine Decke bildete den Boden für einen Balkon vor dem Raum darüber. Blaue und weiße Markisen schützten die Fenster erwartungsfroh vor einer Sonne, die ihre Gegenwart noch kaum spüren ließ.
Fabel klingelte, und ein mächtiger Mann mit pechschwarzen Augen öffnete die Tür. Sein dichtes dunkles Haar war stark von Weiß durchsetzt und aus einer breiten Stirn zurückgekämmt, die sich über wulstigen Brauen erhob. Der breite, schwere Kiefer sprang unter dem fleischigen Mund ein wenig zu weit hervor. Hätte in den Augen nicht das Feuer einer dunklen Intelligenz gebrannt, wäre er einem Neandertaler nicht unähnlich gewesen.
»Kriminalhauptkommissar Fabel?« Der Mann in der Tür lächelte.
Fabel erwiderte sein Lächeln. »Vielen Dank, dass Sie mich empfangen, Herr Weiss.«
Gerhard Weiss trat zurück, machte die Tür weiter auf und bedeutete Fabel einzutreten. Fabel hatte Weiss’ Foto auf
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