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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Märchenstraße inspiriert worden. Als er geendet hatte, herrschte ein kurzes Schweigen, und in jenem Moment glaubte Fabel einen Anflug von Befriedigung in Weiss’ Miene wahrzunehmen. »Außerdem ist klar, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben«, schloss Fabel.
    »Oder mit Serienmördern«, schlug Weiss vor. »Sind Sie noch nicht auf den Gedanken gekommen, dass es sich um zwei Personen handeln könnte? Wenn diese Morde durch ein grimmsches Thema miteinander verbunden sind, dann sollte man daran denken, dass es schließlich zwei Brüder Grimm gab.«
    »Diese Möglichkeit schließen wir natürlich nicht aus.« In Wirklichkeit hatte Fabel noch nicht daran gedacht, dass er es mit einem Team zu tun haben könnte. Allerdings war es durchaus vorstellbar, dass zwei Mörder zusammenarbeiteten, wie er aus einer seiner jüngeren Ermittlungen nur zu gut wusste. So ließe sich auch der Umstand erklären, dass Olsen ein Motiv für die Morde im Naturpark, nicht jedoch für die anderen hatte.
    Fabel wechselte das Thema. »Haben Sie in letzter Zeit irgendwelche, na ja, seltsamen Briefe erhalten, Herr Weiss? Esist möglich, dass der Mörder – oder die Mörder – versucht hat, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen.«
    Weiss lachte. »Seltsame Briefe?« Er stand auf, wobei sich seine Gestalt bedrohlich im Zimmer abzeichnete, und ging hinüber zu einem hölzernen Stehpult an der einzigen Wand, die frei von Bücherregalen war. Die Fläche oberhalb des Pultes war mit gerahmten, altmodischen Illustrationen bedeckt. Weiss nahm einen dicken Ordner vom Stehpult und knallte ihn auf den Schreibtisch, bevor er sich wieder hinsetzte. »Das sind nur die letzten drei oder vier Monate. Wenn Sie darin etwas fänden, das nicht ›seltsam‹ ist, würde es mich sehr überraschen.« Er machte eine »Bedienen Sie sich«-Geste.
    Fabel klappte den Ordner auf. Er enthielt zahlreiche Briefe, einige mit Fotos, andere mit Zeitungsausschnitten, die, wie die Absender meinten, nützlich für Weiss sein könnten. Die meisten bezogen sich augenscheinlich auf Weiss’ »Wahlwelten-Chronik«: Menschen mit einem traurigen, inhaltslosen Leben suchten Trost in einer alternativen, literarischen Existenz, indem sie sich von Weiss in eine seiner Geschichten einbeziehen ließen. Es gab einen sexuell sehr deutlichen Brief von einer Frau, die Weiss aufforderte, der »große, böse Wolf« für sie zu sein. Beigelegt war ein Foto der Absenderin, die nur ein rotes Käppchen und einen roten Umhang trug. Es handelte sich um eine übergewichtige Frau von etwa fünfzig Jahren, deren Körper den Kampf gegen die Schwerkraft offenbar schon vor einiger Zeit aufgegeben hatte.
    »Das ist sehr wenig im Vergleich zu dem, was elektronisch an meine persönliche Website und an die meines Verlages geschickt wird«, erklärte Weiss.
    »Beantworten Sie diese Briefe?«
    »Jetzt nicht mehr, nein. Früher habe ich es getan – oder jedenfalls dann, wenn sie halbwegs vernünftig oder anständig waren. Aber nun habe ich einfach nicht mehr die Zeit dazu. Deshalb fing ich an, Gebühren zu verlangen, wenn Personenals Gestalten in meine Wahlwelten -Romane aufgenommen werden wollten.«
    Fabel lachte leise. »Was müsste ich bezahlen, um eine Rolle in einem Ihrer Romane zu bekommen?«
    »Herr Fabel, eine der Hauptlehren der Märchen lautet, dass man sich sehr genau überlegen muss, was man sich wünscht. Ich könnte Sie in eines meiner Werke einbauen, einfach weil ich Sie interessant finde und Ihren Namen für ungewöhnlich halte. Im Unterschied zu den Leuten, die für eine Mitwirkung bezahlen, sind Sie mir begegnet. Ich habe eine Vorstellung von Ihnen. Und sobald Sie in einer meiner Geschichten auftauchen, habe ich die totale Kontrolle über Sie. Nur ich entscheide Ihr Schicksal. Ob Sie leben oder sterben.« Weiss hielt inne, und seine schwarzen Augen unter den schweren Brauenwülsten funkelten. Die Werwolf-Skulptur blieb erstarrt in ihrem Zähnefletschen. Draußen auf der Straße fuhr ein Auto vorbei. »Aber normalerweise verlange ich fünftausend Euro für eine halbseitige Erwähnung.« Weiss lächelte.
    Fabel schüttelte den Kopf. »Der Preis des Ruhmes.« Er tippte auf den Ordner auf dem Schreibtisch: »Darf ich das mitnehmen?«
    Weiss hob die Schultern. »Wenn Sie glauben, dass es Ihnen hilft.«
    »Vielen Dank. Übrigens lese ich gerade Die Märchenstraße .«
    »Gefällt sie Ihnen?«
    »Ich finde sie interessant, wenn ich mich so ausdrücken darf«, erwiderte Fabel. »Im Moment konzentriere ich

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