Jane Christo - Blanche - 01
Schoß.
„Ich weiß, deine Arbeit bringt dir gutes Geld, aber ich kann dir …“
Ihr Auflachen überraschte ihn. Er runzelte die Stirn und betrachtete ihr Gesicht. „Nicht?“
„Pierre nimmt mir alles weg! Warum glaubst du, bitte ich dich, dass du meine Bezahlung aufbewahrst, statt sie mir zu geben?“
„Ich dachte, du möchtest nicht, dass Pierre seinen Anteil bekommt.“
Wieder lachte sie. „Er nimmt mir alles weg – alles!“
Ihre Vehemenz musste ihn vermuten lassen, dass sie die Wahrheit sagte.
„Dann gehe ich recht in der Annahme, dass du bisher nicht viel Geld zur Seite legen konntest.“
Sie nickte, obwohl er es nicht wie eine Frage formuliert hatte. „Ich habe nur das, was du mir geben wolltest.“
Enzo fluchte leise. „Was ich dir geben werde, preferita mia.“ Er strich ihr eine Haarlocke zurück. „Angenommen, ich würde dir helfen, dich freizukaufen, was würdest du dann tun?“
Sie schluckte einen Kloß hinunter. Genau diese Frage hatte sie sich in den letzten Jahren immer wieder gestellt – vergebens. Sie konnte sich keine Zukunft vorstellen, denn sie hatte immer gewusst, dass sie keine besaß. Dennoch war da ein kleines Stück Hoffnung geblieben, der Wunsch nach einem Leben jenseits des Straßendrecks. Er lag tief in ihr verborgen, wie ein Samen, der es nicht wagte, zu keimen, aus Angst, jemand könnte das erste Grün zertreten, das sich mühsam einen Weg durch Schutt und Asche bahnen musste. Darum besaß ihre Hoffnung keinerlei Konturen, war vage, wie das Flimmern einer Fata Morgana in der Wüstensonne.
„Nun?“ Enzo drückte sie leicht an sich.
„Ich weiß es nicht“, gestand sie resigniert und musste plötzlich gegen Tränen ankämpfen. Das war sicher nicht die Antwort, die er hören wollte, und nun stand sie kurz davor, ihm seinen kostbaren Bademantel vollzuheulen. „Ich habe nichts anderes gelernt“, fügte sie zögernd hinzu, hielt jedoch sogleich wieder inne. Als ob sie eine Ausbildung als Bordsteinschwalbe absolviert hätte. Enzo sah sie weiterhin an, als erwartete er tatsächlich eine Antwort. Nella starrte auf ihre Hände. „Aber vielleicht – ich habe schon mal daran gedacht …“ Das war doch lächerlich!
„Was?“ Enzos Stimme war nun ganz sanft, als er seine Hand auf ihre ineinander verschränkten Finger legte.
„Ich dachte, vielleicht wäre es gut, die Schule zu beenden, aber“, sie schluckte hart, bevor sie ergänzte „aber jetzt bin ich dafür zu alt.“ Die Scham über ihr vermurkstes Leben trieb ihr abermals Tränen in die Augen. Es war eine Sache, zu wissen, dass man sich seine Zukunft versaut hatte. Es laut auszusprechen stand auf einem anderen Blatt.
Als sie den Blick hob, strahlte Enzo sie an, als wäre sie die Gewinnerin eines Preisausschreibens: Bingo, richtige Antwort!, signalisierten seine Augen. Nella starrte ihn perplex an, doch bevor sie etwas sagen konnte, ergriff er das Wort.
„Was hältst du von folgender Abmachung, gattina: Du erledigst ab und zu einen Job für mich, den ich meinen Männern nicht übertragen kann.“
Was für ein Job sollte das sein? Brauchte er einen Drogenkurier, der, wenn etwas schiefging, an Pierres Stelle von den Bullen geschnappt wurde? Na klar, denn im Gegensatz zu ihrem Zuhälter war sie austauschbar. Zudem hatte Enzo nicht ihrem Vater versprochen, sich um sie zu kümmern. Seit sie denken konnte, war sie auf sich allein gestellt. Warum sollte sich das ändern, nur weil der Boss sie bumste? Für ihn war sie nur ein Rad im Getriebe, jemand, der leicht zu ersetzen war. Herrje, er war das Oberhaupt der Pariser Mafia und sie ein Niemand. Nur eine Anfängerin würde sich einbilden, dass mehr zwischen ihnen war. So dumm war sie bestimmt nicht. Sie schluckte hörbar.
„Du wirst gut bezahlt werden und kannst das Geld zur Seite legen“, fuhr er fort, obwohl ihm ihr bedrückter Gesichtsausdruck nicht entgangen sein konnte. Sie öffnete den Mund, doch er verschloss ihn mit einem Finger.
„Ja, zur Seite legen, bezahlen wirst du mich, indem du dich loyal zeigst. Die Aufgabe, die ich für dich im Kopf habe, erfordert das Fingerspitzengefühl einer klugen Frau.“
Enzo hielt sie für klug? Er ergriff ihre Hand und gab ihren Fingerknöcheln einen zarten Kuss.
„Das wäre aber nur der erste Teil unserer Vereinbarung.“
Aha, jetzt kommt’s, dachte Nella. Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, wagte es jedoch nicht.
„Wusstest du, dass ich meinen kleinen Enzo zu Hause unterrichten lasse?“
Überrascht sah sie
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