Jane Christo - Blanche - 01
nach Erienne erkundigt.“
„Erienne?“, fragte Beliar, den Nella weder hören noch sehen konnte.
„Mein Codename für Kunden“, raunte sie, anscheinend nicht leise genug, denn Nella verdrehte die Augen.
„Ich weiß, was das ist. Hör mal, hast du einen Augenblick, ich muss mit dir reden.“
Blanche zuckte mit den Schultern. „Lass uns ein Stück gehen, wir … ich war gerade auf dem Weg zur Metro.“
Sie schlenderten die Rue Poussin entlang Richtung Porte d’Auteuil. Da Nella keine Anstalten machte, ein Gespräch zu beginnen, fragte Blanche: „Wie geht’s Pierre?“, um sie zu provozieren. Doch zum ersten Mal schien sich Nella zu freuen, Blanche Neuigkeiten über ihren Zuhälter mitzuteilen.
„Ich bin nicht mehr bei Pierre“, sagte sie und ihre Katzenaugen strahlten.
Blanche zog die Brauen zusammen. Man wechselte nicht einfach den Beschützer, es sei denn, dieser hatte Lust, einen weiterzureichen. Eine andere Möglichkeit war, sich freizukaufen, was ungefähr alle hundert Jahre vorkam. Wenn die Mädchen genug verdienen würden, sich aus diesem Teufelspakt zu befreien, würden sie sicher nicht auf den Straßenstrich gehen.
Nella bemerkte ihren skeptischen Blick und lachte fröhlich auf. „Ich hab ihn nicht umgelegt, obwohl er es verdient hätte.“
Ein verschmitztes Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel und Blanche stellte überrascht fest, dass es das erste richtige Lächeln war, seit sie sich kannten. „Was ist los?“
„Es ist …“ Nella räusperte sich. „Enzo“, brachte sie schließlich flüsternd heraus.
Blanche stutzte. Der Oberboss? Netter Fang. Sie überquerten den Boulevard de Montmorency, wo ihnen auf Höhe des Fleurs d’Auteuil ein süßlicher Rosenduft entgegenwehte.
„Was ist mit ihm?“, hakte sie nach.
„Er ist echt sauer auf Pierre“, erwiderte Nella. Ein boshaftes Lächeln stahl sich in ihre Züge, als sie verächtlich fortfuhr. „Ich habe Enzo erzählt, dass Pierre keinen Finger krumm macht, um seine Leute zu beschützen. Dass er Leo geopfert hat, um dem Russensyndikat nicht in die Quere zu kommen, und dass er nichts unternommen hat, um Renée zu finden. Als ich fertig war, ist Enzo der Kragen geplatzt. Er hat Pierre antanzen lassen und ihm vor seinen Männern ins Gesicht geschlagen. Dabei hat er darauf geachtet, dass sein goldener Siegelring Pierres Kiefer bricht. Ich hätte nie gedacht, dass Enzo so viel Kraft besitzt, du solltest ihn nicht unterschätzen, Blanche.“ Eine kurze Pause entstand, dann ergänzte sie: „Enzo ist eigentlich ganz in Ordnung, aber man sollte ihn besser nicht reizen.“
„Ich wundere mich, warum Pierre nicht schon längst die Radieschen von unten betrachtet“, sagte Blanche unbeeindruckt von Enzos Heldentaten.
„Er kann ihn nicht kaltmachen, Pierre wurde ihm anvertraut. Es ist irgendeine Schuld, die Enzo wiedergutmachen möchte. Darum muss er sich um ihn kümmern, ob es ihm gefällt oder nicht.“
Loyalität war das A und O der Organisation, das wusste Blanche. Dennoch wäre Pierre schnell Fischfutter, sollte er Enzos Geschäfte gefährden. Aber das behielt sie für sich.
„Wenn er ihn noch einmal enttäuscht, schickt er ihn zurück nach Toulouse.“
Das war ja alles gut und schön und Blanche freute sich aufrichtig für Nella, dass sie ihren Zuhälter endlich losgeworden war. Doch so viel Anteil nahm sie nun auch wieder nicht an Pierres Schicksal, zumal sie keine gemeinsamen geschäftlichen Interessen verband.
„Jedenfalls steckt Pierre ganz schön in der Scheiße, weil er zugelassen hat, dass die Russen unbehelligt in Enzos Revier wildern“, nahm Nella den Faden wieder auf.
„Ich dachte, es herrscht Krieg, also worüber regt sich Enzo auf? So läuft das nun mal.“
Enzo hatte etwas, das Zoey wollte, also nahm Zoey es sich, es sei denn, Enzo war in der Lage, es zu verteidigen. Konnte er das nicht, war er sein Revier im Handumdrehen los – so einfach war das. Willkommen im Mittelalter.
„Zoey ist neu in der Stadt. Er war lange in Moskau und hat mit dem Krieg nichts zu tun. Der geht nur das Sankt-Petersburger Kartell was an. Ich kannte Zoey nur deswegen, weil er Peg grün und blau geschlagen und mit dem Messer bearbeitet hat. Habs Pierre erzählt und was macht er? Verlangt ’ne Ablöse von Zoey, weil der seine Ware beschädigt hat, dieses Dreckschwein! Peggy lag sechs Wochen im Krankenhaus und sie war nicht mal versichert.“ Nellas Augen verengten sich zu Schlitzen und ihre Stimme nahm einen grollenden Klang an.
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