Jane Reloaded - Roman
Hauses, der den sozialen Begegnungen vorbehalten ist. Die beiden gegenüberliegenden gläsernen Schiebetüren lässt er gerne offen und so stehen seine Bambusmöbel – ein großes Sofa, drei Sessel und der alte niedrige Holztisch – in einem sanften Durchzug und fast im Freien. Gregor holt ein Tablett mit einer Karaffe Fruchtsaft und Gläsern und lädt seine Tochter ein, sich zu setzen.
Auf seinem Schreibtisch sieht Jane keine Fotos, aber an der hell verputzten Stirnwand hängt ein großes Schwarz-Weiß-Foto des sibirischen Mammutzoos mit einer weidenden Tierherde. Von ferne wirkt es wie eine alte Höhlenmalerei, deren Farben ausgewaschen sind.
»Wenn es mir hier zu heiß wird, denke ich daran zurück«, sagt Gregor, als er Janes Blick bemerkt.
Sie tritt näher heran und kann in einem kleineren Holzrahmen ein Foto von ihrer Mutter und Gregor ausmachen. Sie sind noch sehr jung und lachen in die Kamera. Darunter ein Bild von ihr, als sie vielleicht drei Jahre alt war. Egal, wie zerrissen ihre Familie jetzt ist, sie gehören trotzdem zusammen und ihre Eltern waren einmal glücklich gewesen. Das ist eine gute Gewissheit und deshalb freut sich Jane über das Kinderfoto.
»Schön, dass wir hier wenigstens alle zusammen waren«, sagt sie.
Gregor nickt: »Familien sind schon was Besonders. Du entkommst ihnen nicht.«
»Gibt es denn Aufzeichnungen oder Fotos von Jamies Familie? Von seiner Sippe?«
»Wir setzen inzwischen in Ring 1 ganz auf die natürliche Entwicklung. Deshalb gehen wir auch nicht mehr regelmäßig hinein. Beobachtungen vor Ort gibt es nur in größeren Abständen.«
»Wie groß?«
»Unterschiedlich. Aber ich rede nicht von Tagen, eher von Monaten, sogar Jahren.«
»Ein weiterer Grund, länger zu bleiben. Wann denkst du, kann ich Freilandbeobachtungen machen? Und wie viele Exemplare leben jetzt eigentlich dort?«
»Nicht so schnell, Jane. Zurzeit geht das nicht. Und das solltest du als Tochter deiner Mutter akzeptieren. Auch unsere Züchtungen haben ein Recht auf ihre Freiheit. Wir befassen uns seit Längerem nur mit den einzelnen HE-Exemplaren, die uns zulaufen, wie Jamie. Es sind meistens die intelligentesten und im Augenblick ist nur er hier. Im Laos-Labor brauchst du Geduld. Viel Geduld. Wir denken in großen Zeiträumen.«
»Warum ist Jamie denn hierhergekommen?«, hakt sie nach. »Und du hast meine Frage nach seiner Familie nicht beantwortet.«
»Frag ihn selbst. Erstelle du mit ihm sein Familienporträt. Dazu brauchst du nicht Ring 1, Tanja!«
Wenn er sie mit diesem Namen und in diesem unwirschen Ton anspricht, ist Vorsicht geboten, das weiß Jane und schweigt.
»Lass uns lieber über das Hier und Heute reden«, verlangt Gregor. »Ich habe mir vorhin die Aufzeichnung eurer zweiten Begegnung angeschaut. Wir kommst du denn mit Jamies Geruch klar?«
Jane wird rot, sie fühlt sich ertappt. Dabei wollte sie doch kühl und souverän bleiben.
»Aha«, bemerkt Gregor, »hab ich mir schon gedacht. Also nicht so gut. Das liegt an der Pheropower – das Wort stammt von Rita. Wir untersuchen nicht allein die Sexuallockstoffe, sondern alle Botenstoffe interessieren uns, Alarmpheromone etwa. Und besonders der Geruch als Kommunikationssystem jenseits der Sprache.«
»Gehört das zur hominiden Psychologie?« Sie hat sich wieder im Griff. »Ich hab das Schild an einem Büro gesehen.«
»Ja, genauso wie das Verhalten zwischen den Arten.«
Einige frühere Begegnungen in den Soziallabors seien fast an der Pheropower des Homo erectus gescheitert, erzählt er. Sehr geordnete, vernünftige Homo sapiens- Exemplare seien verwirrt gewesen, oder sogar wild geworden. Sie könne sich gerne die Aufzeichnungen anschauen. Besonders wenn zwei Männer aufeinandergetroffen seien – hier habe es einige Versuche gegeben –, hätten sich schnell gefährliche Revierkämpfe entwickelt. Hetero-Paarungen dagegen hätten sich in harmlose, zuerst spielerische, aber am Ende ziemlich sexuell getönte Ringkämpfe verstrickt.
»Das war dann übrigens nie ein gewaltsamer Übergriff eines Homo erectus «, betont Gregor, »sondern ist mit vollem Einverständnis der Homo sapiens -Frauen passiert. In zwei extremen Fällen konnten wir eine hastige Kopulation gerade noch verhindern, und eine hätte sogar …«
Jane unterbricht seinen Redefluss. Sie findet es peinlich, wenn ihr Vater über solche Dinge spricht. Kleine, harte Stiche spürt sie in ihrem Magen und einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Sie stellt ihm die Frage, die
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