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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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angeborenes Sprachlernprogramm? Ich muss die Mutation der FOX-Sprachgene zu analysieren! Darf nicht vergessen, auch Jamies FOX-Sprachgen-Profil abzufragen. Dafür hat sich bisher noch niemand interessiert. Vergleich mit einem Homo sapiens -Genom, meinem eigenen?
Sozialen Kontakt unbedingt intensivieren. Vorschlag für Gregor ausarbeiten: Täglicher freier Sprachunterricht könnte zu einer Wissensexplosion führen.
    Später wird sie alles noch einscannen, aber sie hat lieber auch etwas in der Hand, etwas Greifbares, wie dieses altmodische Heft. Es ist ihre Rückversicherung, falls die Technik einmal versagen sollte. Rita hat sie vor den heftigen Regengüssen gewarnt, die kurz nach dem Ende der Regenzeit manchmal doch noch unerwartet vom Himmel stürzen und sofort jedes Memory unbrauchbar machen, das draußen herumliegt. »Deshalb immer alles wegpacken«, hat sie der Neuen eingeschärft, »auch wegen unserer Mitbewohner und ihrer flinken Affenhände!« Wie flink, hat Jane gestern erlebt.
    Sie hatte ihren Kleincomputer nur kurz auf dem Tisch liegen lassen, um etwas zu holen, und schon hatte der glänzende Rahmen ein freches Äffchen angelockt. Bis zur Tischkante hatte es sich bereits vorgewagt und sie hat es gerade noch mit lauten Rufen verscheuchen können. Deshalb bringt sie nun ihre Aufzeichnungen und den Computer in der Wohnhütte in Sicherheit. Schon klettern die ersten Languren auf die Verandabrüstung, warten in Hockstellung, dass dieser Mensch, der gerade verschwunden ist, mit einer Schale zurückkommt, in der frisch geschnittene Früchte und Zuckerrohrstücke liegen. Überall in Thaimyla werden die Languren als Tempelaffen geduldet, als heilige Tiere verehrt und von Menschen gefüttert, eine Lebensform, die inzwischen Teil ihrer Natur geworden ist.
    Auch Jane erfüllt die tierischen Erwartungen, als sie mit einer Schüssel in der Hand herauskommt und den Affen ein Stück reife Mango hinhält. Sofort springt einer von der Brüstung und greift zu. Sie kann sich nicht sattsehen an diesen Händen, die so geschickt sind und bereits keine Krallen mehr haben, sondern schon Plattnägel.
    »Wie kleine Kinderhände sehen sie aus«, hatte sie gestern zu Kasit gesagt, der ihr daraufhin erklärte, dass die schwarzen Hände die Tiere als Nachfahren des Affengottes Hanuman auswiesen. Denn im Epos Ramayana hilft der mutige Affengeneral dem Gott Rama, die Heimstatt des besiegten Oberdämons niederzubrennen, und verkohlt sich dabei Hände, Füße und auch sein Gesicht.
    Durch den hellen Fellkranz gleichen die Langurengesichter Faschingsmasken mit hohlen, fremden Augen, findet Jane. Bei den Schimpansen dagegen geben die Augen ein anderes, viel reicheres Innenleben preis. Ihre Mutter hätte sich nicht gescheut, »Seele« zu sagen, weil die Gesichter dieser Great Apes alle menschlichen Regungen zeigen: Freude und Furcht, Misstrauen und Neugier, Hass und Liebe, Anstrengungen und Entspannung. Und man sieht, ob sie dumm oder weise, verschlagen oder gutmütig, alt oder jung, und manchmal sogar auf den ersten Blick, ob sie männlich oder weiblich sind.
    Wie würde sie Jamie den Begriff Seele erklären? Dass er eine hat, steht fest.
    Sie muss schon wieder an ihn denken. Wie es war, als diese männliche Menschenhand mit den bräunlichen Affennägeln sie das allererste Mal berührte. Als hässlich hat sie die Färbung nicht empfunden, nur als ungewohnt. Und sie erinnert sich auch an ihren Gefühlsaufruhr danach. Verwirrend war das gewesen, schön und neu und anders. Für ihre dritte Begegnung morgen wünscht sie sich, es möge wieder so werden.
    Sie betrachtet die vielen, inzwischen vom Obstsaft klebrig gewordenen Affenhände, die sich ihr fordernd entgegenstrecken. Die Hand ist tatsächlich der menschlichste Körperteil an den Affen. Und wer sehen will, sieht es sofort, denkt sie: Wir sind verwandt, teilen eine Absammungsgeschichte, sind Kinder einer Evolution.
    Der Affendaumen ähnelt jedoch noch einem abgespreizten großen Zeh und steht in einer festen Reihe mit langen Fingern. Diese Fußhand, oder besser dieser Handfuß, wird schließlich zum Hangeln, Klettern und Gehen gebraucht.
    Beim Homo sapiens dagegen , und natürlich auch beim Homo erectus, führen die Hände bereits ein echtes Eigenleben, sind vom Gehen ganz abgekoppelt: Der aufrechte Gang hat sie endgültig befreit. Danach konnten die Hände der Gattung Homo immer geschickter werden, vor allem durch einen voll beweglichen Daumen, der sich abspreizen und so weit nach vorne

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