Jane Reloaded - Roman
davon!
Dass man Angst riechen kann, aber nur aus allernächster Nähe, das hat sie oft erlebt. Im Flugzeug hat sie mit ihrem kalten Angstgeruch sicherlich so manchen Sitznachbarn mit ihrer Panik angesteckt.
Und heute vielleicht auch Jamie.
Und natürlich ist es schon vorgekommen, dass sie jemand überhaupt nicht riechen konnte, ganz konkret, aber auch im übertragenen Sinn. Doch Krankheit riechen oder schmecken oder gar noch subtilere Gefühle wie Liebe zum Beispiel – Fehlanzeige. Das ganze Parfümzeug verdeckt und verfälscht die echten Ausdünstungen bis zur Unkenntlichkeit. Deshalb lässt sich leichter betrügen und lügen.
Jamie ist ehrlich, selbst in seinem Geruch. Und das will sie auch sein. Sie beschließt, in Zukunft keine parfümierten Deos mehr zu verwenden und jegliche künstlichen Düfte wegzulassen, damit er endlich die echte Jane riechen kann.
Sie kann schlecht einschlafen an diesem Abend. Jane rückt das harte Kissen ein Stück weiter, damit ihre Wange auf eine kühlere Stelle zu liegen kommt. Unabsichtlich schnuppert sie dabei an ihrem Handrücken, den Jamie abgeleckt hat, und sein ganz eigener, besonderer Homo erectus- Geruch steigt ihr in die Nase. Nur sehr schwach, weil sie sich die Hände inzwischen gewaschen hat, aber er ist doch erkennbar. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck schläft sie nach einiger Zeit endlich ein.
In dieser Nacht träumt sie sich auf eine Sandbank im Mekong. Der Mond scheint unheimlich und lockend. Kommt mit, flüstert jemand. Sie sieht den Rufer nicht, die Bambushecke ist zu dicht. Andere versteckte Gefährten antworten nun und erwarten sie. Überall sind Schnalzgeräusche zu hören. Sie steht auf und klettert den Uferpfad entlang. Alle müssen weiter, müssen jagen. Und sie laufen schnell. Jane versucht, die Gruppe einzuholen. Sie schwitzt. Nun schnalzt auch sie, klack, klack. Sie rennt immer weiter, ein gutes Gefühl, eine anregende Anstrengung. Doch plötzlich wird sie von jemand verfolgt, laut atmend, hechelnd. Ein Löwe oder ein Mann, dessen Gesicht sie nicht sieht. Ssou, ssou, hört sie. Eigentlich will sie, dass er sie einholt. Sie will wissen, wer er ist. Deshalb drosselt sie unmerklich ihren Lauf. Doch ihr Verfolger wird ebenfalls langsamer, hält den Abstand so, dass sie ihn spürt, er ihr aber nicht zu nahe kommt. Ein erregendes Locken und Hinhalten. Schmatzende Geräusche wie ein feuchter Kuss. So rufen Menschen ihre Hunde, jetzt wird sie so gerufen. Sie ist ein Tier, das flieht. Sie schlägt einen Haken und rennt dorthin zurück, wo das schwarze Wasser die silbrige Sandbank umfließt. Janes Zehen bohren sich in den warmen Sand. Sie stolpert und fällt weich auf die Knie, rollt sich auf den Rücken, streckt sich aus. Falak, falak. Ich verstehe nicht, ruft sie. Sie sieht die Sterne fallen, sogar durch die geschlossenen Augen. Eine Hand fährt von ihrem Hals über Brust und Bauch, raue, feste dunkle Haut, die sich fremd und gut anfühlt. Hitze und Lust überall. Sie stöhnt kurz auf und schläft dann tief und traumlos weiter.
Jane wacht wie zerschlagen auf. Sie kann sich nicht genau an den Traum der letzten Nacht erinnern, aber dass er schön war, weiß sie noch. Sie hat öfters solche Träume, besonders wenn sie lange keinen Geliebten gehabt hat. Manchmal sind sie sogar schöner als die Wirklichkeit. Schwebender, so hat sie es einmal einer Freundin erklärt. Nur ein Wort aus dem Traum hat sie behalten: falak. Sie schlägt es sogleich in der HE-Lautesammlung nach. Als Bedeutung ist angeführt: eine Frau nehmen, kopulieren. Aber es kann auch Liebe bedeuten, nicht nur für den Mann.
Das Blut steigt ihr in den Kopf. Doch ihr kann gar nicht mehr heißer werden, sie glüht sowieso schon. Sie misst Fieber, das Thermometer steigt auf 39 Grad. Jamie hat recht behalten. Er konnte die drohende Krankheit tatsächlich an ihrem Schweiß schmecken.
Der spanische Arzt Ignazio Lafita untersucht Jane, die inzwischen über starken Schüttelfrost klagt und nicht versteht, wie sie in einem so heißen Zimmer überhaupt frieren kann.
»Nichts Schlimmes! Nur eine ganz gewöhnliche Angina, nichts Exotisches«, beruhigt sie der Doktor nach einem Schnelltest und gibt ihr ein Antibiotikum. In drei Tagen sei sie nicht mehr ansteckend, aber zehn Tage lang müsse sie es nehmen. Ein wenig freut sie sich, Probezeit ade! Gregor kann sie so schnell nicht nach Hause schicken.
»Bitte schonen und wenig Außenkontakt!«, rät Doktor Lafita. »Und vor allem keine Besuche im
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