Jane True 02 - Meeresblitzen
diesem heftigen Glücksgefühl, das einen überkommt, wenn einem eine schwierige Aufgabe endlich gelungen ist.
Anyan und ich waren so in diesen Moment vertieft, dass wir den ersten Schrei gar nicht wahrnahmen. Den zweiten jedoch hörten wir. Trills schmerzerfülltes Kreischen riss uns
aus unserer Konzentration, und plötzlich wurde mir klar, dass sie brannte. Dann rollte sie am Boden, versuchte die Flammen zu ersticken, und über ihr schwebte Nell, knisternd vor Energie, wie eine dieser Kugeln mit statischer Energie aus einem Technikmuseum.
Anyan machte sich kampfbereit. Wir fuhren fast gleichzeitig unsere Schilde hoch und ließen sie nahtlos ineinander übergehen, so dass mein Wasser mit seiner Erde und seiner Luft verschmolz und eine Wand aus Elementarkräften entstand, die praktisch undurchdringlich war.
Was unser Glück war, denn einen Augenblick später rollte eine Feuerwalze über die Wiese auf uns zu, rot und wütend züngelnd, begleitet von einer so heftigen Druckwelle, dass ich sogar hinter unserem Superschild bei ihrem Ansturm ins Wanken geriet.
Ich knickte mit einem Knie ein, ging aber nicht ganz zu Boden, denn plötzlich war Anyan neben mir und stützte mich mit seiner kräftigen Schulter. Wir waren umzingelt von Flammen, die wir uns selbst mit unseren Schilden nur mit Mühe vom Leibe halten konnten. Noch waren wir unverletzt, aber das Feuer und die peitschende Energie waren einfach überall.
Erst jetzt konnte sich mein völlig überrumpeltes Gehirn einen Reim darauf machen, was gerade passiert war.
Ich hatte Boston zu meiner eigenen Sicherheit verlassen, aber alles, was ich damit anscheinend erreicht hatte, war, die Gefahr direkt nach Rockabill zu locken und zu den Menschen, die ich liebte.
G enauso schnell, wie es über uns hereingebrochen war, hörte das Feuer auch wieder auf. Auf Anyans breiten Rücken gestützt, kam ich schwankend auf die Füße. Über der Trainingswiese hingen noch immer Rauchschwaden, einzelne Flammen loderten, und ein Brausen ging durch die Luft. Ich sah mich aufmerksam um, versuchte zu erkennen, ob Nell und Trill in Ordnung waren.
»Alles okay?«, rief der Barghest mir über das Tosen hinweg zu. Ich nickte nur.
»Kannst du Nell irgendwo sehen?«, fragte ich, doch dann beantwortete sich meine Frage ganz unvermittelt von selbst. Ein scharfer Wind blies von der Stelle herüber, wo die Zwergin über Trill schwebte. Er verdrängte den Rauch und machte alles auf der Wiese wieder klar erkennbar.
Ja, ich hatte schon unzählige Male gehört, dass Zwerge unerschütterlich waren, dass sie es in ihrem eigenen Territorium so ziemlich mit allem und jedem aufnehmen konnten, sogar mit Alfar. Aber, um ehrlich zu sein, hatte ich es nicht so recht geglaubt. Ich meine, mal ehrlich, Nell sah wirklich
aus wie ein überdimensionaler Gartenzwerg. Mit ihren nur gut sechzig Zentimetern Körpergröße wirkte sie eher wie eine harmlose Miniaturoma.
Meine Güte, hatte ich vielleicht Unrecht damit gehabt, sie zu unterschätzen. Sie schwebte noch immer über Trill und verteidigte ihre Freundin mit Schilden, bei denen sogar die Konstrukteure von Fort Knox vor Neid erblassen würden, und war wie ein weiblicher Yoda. Nein, krasser: Nell erinnerte eher an Yoda auf Speed, nachdem er seine Kräfte sechs Monate gesammelt und außerdem mit einem echten Aggressionsbewältigungsproblem zu kämpfen hatte.
Ihre Haare, die sich aus dem Dutt gelöst hatten, peitschten in langen, grauen Ranken um sie herum, während Nell so viel Elementarenergie aus der Erde zog, dass ein Mini-Tornado aus Wind und purer Energie im Zentrum der Wiese wirbelte. Bloß dass aus diesem Tornado noch Lichtblitze schossen, die aus reiner Elementarkraft bestanden.
Ihre Zielscheibe stand am hinteren Rande des Feldes, das am weitesten von ihrem Häuschen entfernt war: eine flammende Feuersäule, die viel heller und kräftiger loderte als der Ifrit, den ich vor einigen Monaten getroffen hatte. Conleths – denn es konnte sich nur um den Halbling handeln – Feuer glühte so hell, dass es im Zentrum blau schimmerte. Trotzdem hielt ihn die Zwergin mehr als nur ein bisschen in Schach. Die beiden beschossen sich gegenseitig so schnell und so heftig mit ihren Zauberkräften, dass man glaubte, Zeuge eines Tennismatchs zwischen Serena und Venus Williams zu sein.
Nell ging es ganz offensichtlich gut, und sie war voll
und ganz in der Lage, auf sich selbst aufzupassen, aber Trill lag zusammengekrümmt am Boden und rührte sich nicht.
»Trill ist
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