Jane True 02 - Meeresblitzen
flüsterte Anyan heiser, wobei sich sein Mund an mein Ohr presste und er mich noch fester an sich drückte. Sein Atem war so abgehackt wie meiner, und ich bemerkte, dass Geiseldramen chaotische Gefühlsreaktionen hervorrufen konnten.
Dann wurde ich behutsam auf die Füße gestellt, und Anyan heftete sich an Conleths Fersen, denn der war wie der Blitz davongeschossen, sobald er mich nicht mehr als Geisel hatte. Ich sank zu Boden, denn meine zitternden Beine konnten mein Gewicht nicht mehr tragen. Ich sah, dass alle, die nicht gerade damit beschäftigt waren, uns von den brennenden Bäumen abzuschirmen, entweder auch die Verfolgung aufgenommen hatten oder die menschlichen Zeugen hektisch mit einer Aura belegten. In dieser Nacht würde in Cambridge ganz offenbar wieder das Gerücht von einer undichten Gasleitung umgehen.
Ich setzte mich im Schneidersitz hin, als der Adrenalinschub in meinem Körper nachließ und ich in mich zusammensackte wie eine Marionette, deren Schnüre gekappt worden waren.
Dann hörte ich Julian fluchen.
Er hatte einen der größeren Bäume gehalten. Phädra war endlich wieder aufgetaucht und half Kaya (oder Kaori) nun dabei, ihre brennende Last hochzuhieven und vom Café wegzukippen. Die Harpyie schwebte in der Luft und zog mit all ihrer Kraft von oben, während die Alfar von unten drückte. Sie wollten die noch immer brennenden Bäume auf der großen Asphaltfläche neben der Terrasse stapeln.
Aber Julian rutschte der Baum weg, den er hielt und der direkt über uns loderte. Ich wusste bisher nur, wie ich mich mit meinen Schilden gegen magische Angriffe zur Wehr setzen, nicht jedoch, wie ich reale Dinge damit bewegen konnte, also dachte ich schon, mein letztes Stündlein hätte geschlagen, als ich den feurigen Stamm erst über mir schwanken und dann von Julians Schild abrutschen sah.
Er stoppte nur ein paar Zentimeter über mir, gehalten von einem Netz aus Alfar-Kräften. Als ich durch meine Finger spähte, starrte Phädra mich an, als frage sie sich selbst, warum sie das getan hatte.
Eine Sekunde lang fürchtete ich, sie werde ihre Meinung ändern und den Baum doch noch auf mich fallen lassen. Aber stattdessen schnippte sie nur lässig mit den Fingern, und einen Augenblick später landete der Baum mit einem lauten Krachen bei den anderen, die bereits auf einem Haufen vor sich hin schwelten, wo sie keinen Schaden mehr anrichten konnten.
Ich konnte nicht glauben, dass die kleine Alfar gerade mein Leben gerettet hatte.
Aber ihrem Gesichtsausdruck zufolge war ich sehr viel glücklicher darüber als sie.
Nackt und tropfnass kam ich aus dem Atlantik und ging zu Ryu, der im Sand sitzend mit einem Handtuch auf mich wartete. Er hielt es mir mit ausgebreiteten Armen hin und umschlang mich damit, als ich mich zwischen seine Beine kuschelte und meinen Kopf an seine Brust bettete.
Die Verfolgung von Conleth war noch immer in vollem Gange, also hatte Ryu es für unbedenklich befunden, schnell mit mir eine Runde schwimmen zu gehen. Wir waren noch immer alle völlig erschöpft von unserem letzten Zusammenstoß mit Con, aber Carson Beach war mal wieder meine Rettung.
»Ich fasse nicht, dass wir es wieder zugelassen haben, dass Conleth an dich rankommt.« Ryus Stimme grollte in mein Ohr.
»Mach dir nichts draus, Babe«, erwiderte ich und streichelte seine Rippen. »Mir war gleich klar, dass er hinter dem Anschlag im Pit steckt. Er scheint wirklich verrückt zu sein«, stellte ich fest und hob den Kopf, damit ich Ryu ansehen konnte. »Und leider auch sehr stark.«
Ryu neigte seinen Kopf zu mir herunter und küsste mich auf die Stirn. »Ja, das ist er.«
»Was ich nicht fassen kann, ist, dass Phädra mich gerettet hat.«
»Tja, wir können sie vielleicht nicht besonders gut leiden, aber sie ist Teil unseres Teams.«
Ich schnaubte verächtlich. »Ja, genau, das ist sicher der Grund, warum Jarl sie uns auf den Hals gehetzt hat – damit sie Teil unseres Teams ist.«
»Den Alfar ist genauso daran gelegen, diesen Fall zu lösen, wie uns, Jane. Niemand von uns ist sicher, solange Conleth nicht gefasst ist. Außerdem müssen wir herausfinden, wie dieses Labor finanziert wurde und von wem. Falls wir einen neuen Feind haben, müssen wir das alle wissen. «
Ich lehnte meinen Kopf wieder an Ryus Brust, um meinen skeptischen Blick zu verbergen. Ich glaubte zwar auch, dass die Alfar Conleth erwischen wollten, aber ich hätte mein Leben drauf verwettet, dass Jarls Interesse an ihm noch etwas anderes zu
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