Jane True 02 - Meeresblitzen
bedeuten hatte. Wir wussten noch nicht, was, aber es musste einfach mehr dahinterstecken.
In den Filmen oder Büchern, die ich las, verliefen Kriminalfälle oder Ermittlungen immer linear, und die Handlung entwickelte sich Schritt für Schritt vom Fund der Leiche über verschiedene Enthüllungen bis zur ultimativen Lösung des Falles. Wenn man also schlau war und sorgfältig ermittelte, konnte man die Missetäter fangen und weitere Opfer retten. Aber unsere »Ermittlung« im echten Leben war ein einziges Riesendurcheinander, in dem wir alle blind herumstolperten und nichts weiter als Conleths Spielbälle waren
– oder auch von denen, die hinter den Morden in Chicago steckten, wer auch immer das sein mochte. Ich glaubte noch immer nicht, dass Con diese Verbrechen begangen hatte. Der Schuldige musste stark sein und über beste Verbindungen verfügen und darüber hinaus genau über alles informiert sein, was vor sich ging. Ich glaubte eher, dass dieser jemand Conleth den Hinweis auf Felicia Wethersby zukommen hatte lassen, um ihn als Köder zu missbrauchen und damit von seinen eigenen Machenschaften abzulenken.
Und unterdessen tanzten wir alle nach seiner geheimnisvollen Pfeife.
Sieht so also mein neues Leben aus? , fragte ich mich. Besteht es nur darin, die ganze Zeit von den Alfar herumgeschubst zu werden oder von jedem, der nun mal mächtiger oder furchteinflößender ist als ich selbst?
Denn wenn das der Fall war, dann fragte ich mich wirklich, ob mein neues Leben all die Opfer wert war. Ich hatte zwar, bevor ich von dem übernatürlichen Vermächtnis meiner Mutter erfahren hatte, kein besonders aufregendes Dasein geführt, aber wenigstens hatte ich das tun können, was mir wichtig war. Obwohl ich mein ganzes Leben zu Hause gewohnt hatte, war ich doch auf meine Art ziemlich unabhängig gewesen. Ich hatte für meinen Vater gesorgt, genauso wie er für mich. Ich war die ganzen letzten Jahre über der Hauptverdiener in unserer kleinen Familie gewesen, und ich hatte die Entscheidungen getroffen, die ich treffen wollte. Selbst wenn der Entschluss, im örtlichen Buchladen zu arbeiten, damit ich mich um meinen Vater kümmern konnte, vielleicht nicht gerade glamourös erscheinen mochte, es war allein mein Entschluss gewesen.
Und jetzt? Jetzt war überhaupt nichts mehr meins. Im Moment kam Ryu für alles auf, eine Tatsache, die mir überhaupt nicht gefiel. Aber ich hatte nun mal gerade kein eigenes Einkommen. Jemand anderes achtete auf meinen Vater, und ich wurde von einem pyromanischen Irren verfolgt, der mit mir Überhalblinge zeugen wollte.
Ich will einfach nur nach Hause , dachte ich, nicht zum ersten Mal, aber mit einer ganz neuen Dringlichkeit. So will ich nicht leben. Das ganze Herumjagen und Rennen und die ständige Bedrohung, das ist einfach nicht mein Leben.
Ryu verschob mich sanft, so dass ich mit dem Rücken an seiner Brust lehnte.
»Bist du okay, Liebling?«
»Eigentlich nicht. Aber sicher besser dran als Edie und Felicia.«
»Sie könnten durchaus noch am Leben sein, Liebling.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte ich.
Ryus bedrückendes Schweigen war Antwort genug.
»Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wer Conleth die Nachricht über Felicia geschickt haben könnte. Entweder Phädra war in der Nähe, oder wir haben Jagd auf Conleth gemacht oder wurden von ihm gejagt. Ich glaube, diese Nachricht ist der Schlüssel zu allem.«
Ryu zuckte mit den Schultern. »Möglich. Aber er könnte die Nachricht genauso gut bei einem seiner Opfer gefunden haben. Schließlich ist sie nicht an ihn adressiert.«
»Ich glaube einfach nicht, dass Conleth je in Chicago war«, argumentierte ich beharrlich. »Ich glaube, wer auch immer die Leute dort ermordet hat, hat auch Conleth die Nachricht zukommen lassen, damit er jemanden tötet, der
als das Bindeglied zwischen den Bostoner Opfern und denen aus Chicago dient.«
Ryu zuckte erneut mit den Schultern. » Falls du damit Recht hast, dann mischt da noch jemand mit…«
»Es muss derjenige sein, der das Labor finanziert hat. Der neue Geldgeber.«
»Das wäre die logische Folgerung, falls deine Theorie stimmt. Aber das ist ein ziemlich großes ›Falls‹, findest du nicht, Baby?«
»Das weiß ich. Aber für mich ist es so, wie du damals gesagt hast, als wir gegen Jimmu ermittelten. Ich kann sehen, dass es da irgendwo ein Muster gibt; ich kann es bloß noch nicht entziffern. Aber ich weiß, auf wen ich mein Geld setze.«
»Jane«, seufzte Ryu in
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