Jane True 02 - Meeresblitzen
leidgeprüftem Ton, »du kannst nicht immer alles auf Jarl schieben.«
»Wirklich nicht?«, fragte ich und hob das Kinn, damit ich ihm in die Augen schauen konnte. »Ich glaube noch immer, dass mehr hinter Jimmus Morden steckte, als wir wissen, und ich denke, dass wir irgendwann entdecken werden, dass er hinter alledem steckt.« Ryu wollte protestieren, aber ich ließ mich nicht davon beirren. »Findest du es nicht auch komisch, dass Jarl jemanden geschickt hat, der uns im Auge behält? Und warum ist Phädras Gefolge immer in zwei Gruppen aufgeteilt, eine geht mit uns, und eine ist immer urplötzlich verschwunden. Es ist, als würde uns eine Hälfte ausspionieren, und die andere steht auf Abruf bereit, um auf unsere jeweiligen Enthüllungen sofort zu reagieren.«
Ryu schüttelte, wie zu erwarten gewesen war, den Kopf.
»Und warum haben wir überhaupt vor Phädra nicht über die Nachricht gesprochen? Weil niemand ihr über den Weg traut, Ryu! Nicht einmal du selbst. Und wie weit reicht dieses Misstrauen, wenn nicht bis zu ihrem Boss?«
»Es ist ein Unterschied, ob man Jarl oder Phädra nicht traut, oder ob man ihnen gleich unterstellt, dass sie die Morde in Chicago zu verantworten haben. Wir haben nichts gegen sie in der Hand. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann behauptest du außerdem, dass nicht nur eine Verbindung zwischen Jarl und diesen Morden besteht, sondern auch zwischen Jimmus Morden und den aktuellen Geschehnissen. Ist dir eigentlich klar, wie verrückt das klingt?«
»Okay, es klingt weit hergeholt, aber…«
»Jane, welchen Teil von ›Wir haben jeden Aspekt von Jimmus Verbrechen ermittelt‹ hast du nicht verstanden? Hältst du uns für so unfähig?«
»Nein, überhaupt nicht! Ich glaube nur, dass unsere Feinde schlau sind, Ryu. Vielleicht sogar schlauer als wir.«
Ryu stieß geräuschvoll die Luft aus. Ich wusste, er war genervt von mir, aber ich würde trotzdem nicht lockerlassen.
»Also, wie denkst du, ist Jarl darin verwickelt?«
Ich atmete tief durch und ordnete sorgfältig meine Gedanken. Ich wusste, ich hatte die Tendenz, wie eine Verschwörungsfanatikerin zu klingen, also musste ich meine Worte umsichtig wählen. »Ich glaube, Jarl ist der geheimnisvolle Geldgeber. Du hast mir doch selbst gesagt, er sei der Oberste Spion. Was, wenn er von Conleth Wind bekommen hat, das Gerücht aber unterdrückt und dann selbst Untersuchungen angestellt hat? Und als er Con dann in dem
Labor entdeckt hat, hat er es mit Hilfe von Magie und Geld einfach übernommen. So hatte er sofort sein Versuchskaninchen ohne Wenn und Aber.«
Ryu sah mich an, als hätte ich soeben Küchenschaben gekotzt.
»Das ist so absurd, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Kein Mitglied der Alfar würde je auf diese Weise unser Publikwerden riskieren. Wir haben das Geheimnis unserer Existenz über Jahrtausende mit einem Eifer gehütet, der keinerlei Skrupel zuließ. Jeder Mensch, der je dahinterkam und versuchte, seine Entdeckung publik zu machen, wurde von uns neutralisiert. Zusammen mit allen, denen er auch nur davon erzählt haben könnte . Früher haben wir sogar ganze Dörfer ausgelöscht, um unser Geheimnis zu schützen.« Ich runzelte die Stirn, aber Ryu ließ sich nicht beirren. »Ich erzähle dir das nicht, um über die moralische Tragweite unseres Handelns zu diskutieren. Ich erzähle es dir, weil es die Wahrheit ist. Abgesehen davon ergibt das, was du sagst, keinen Sinn. Wie hätte er sich in ein solches Unternehmen einkaufen können, ohne dass wir davon erfahren? «
Ich dachte über Ryus Worte nach. Es gab da etwas, was Morrigan vor Monaten im Verbund zu mir gesagt hatte, das damals in Bezug auf die Mordfälle, in denen wir ermittelten, wirklich wichtig war. Seither war ich das, was damals passiert war, fast schon wie besessen immer und immer wieder durchgegangen, weil ich noch immer nicht verstand, warum Jimmu es getan hatte. Die anderen Übernatürlichen schienen sich damit zufriedenzugeben, die Nagas als durchgeknallte Rassisten abzutun, die nur die Gunst
der Stunde genutzt hatten, um ein paar Halblinge um die Ecke zu bringen. Aber ich war mir sicher, hinter diesen Morden steckte mehr als nur Hass. Ich spürte es in meinem kleinen halb menschlichen, halb Selkie-Körper.
Nun, Morrigans schicksalhafte Worte waren mir natürlich in Erinnerung geblieben, weil sie mich damals darauf brachten, dass ich Jimmu schon einmal in Verkleidung in Rockabill gesehen hatte. Aber jetzt bekamen sie noch einen ganz anderen
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