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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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einer unbehaglichen Position befand. Um Zeit zu gewinnen, bot er Abu George Schnupftabak an, doch als er damit zu uns treten wollte, handelte er sich einen rügenden Blick von Abu George ein, der in etwa besagte: »Siehst du nicht, dass das Franzosen sind, was sollen die mit deinem Schnupftabak?«
    »Früher einmal gab es Ehre und Schande, es gab die Großzügigkeit der Araber, wohin ist all das verschwunden?«, murmelte Abu George wie für sich und starrte in den Raum. Nach einer Reihe von Niesern erhob er sich von seinem Platz. »Hör zu, mein Bruder, pack mir den Krug, zusammen mit dem kleinen Trichter daneben und diesem Teller, und nimm, was dir zusteht«, und damit zog er einen Packen Geldscheine aus seiner Hosentasche und begann zu zählen. Abu Scharifs flinke Augen verfolgten die
Finger, die die Scheine hinblätterten. Abu George legte neunhundert Lirot auf den Tisch.
    »Allein der Trichter und der Teller, die du möchtest, kosten dreihundertfünfzig Lirot, beim Leben meiner Kinder!«, jammerte Abu Scharif mit Trauermiene.
    »Ja Allah, los, mein Bruder, pack es ein, und lass uns gehen«, stellte ihn Abu George vor vollendete Tatsachen.
    Draußen drückte Professor Schadmi Abu George die Hand, dankte ihm von ganzem Herzen und lud ihn und Umm George, Jasmin und mich ein, darauf anzustoßen.
    »Was würde ich nicht für Sie tun«, erwiderte Abu George zufrieden.
    »Das Geschäft des Feilschens ist verwirrend, man kommt immer mit dem Gefühl heraus, dass man übers Ohr gehauen wurde«, sagte ich.
    »Das Feilschen ist eine hohe Kunst, die ihre eigenen Gesetze hat«, lächelte Professor Schadmi. »Es ist ein delikater und indirekter Kampf der Kräfte, der die natürlichen Interessen jeder der beiden Seiten zum Ausdruck bringt, bis sie ein Gleichgewicht erreichen. Man braucht auch eine nicht unerhebliche spielerische Gabe, um daran teilzunehmen und zu wissen, wie man das Seil spannt, ohne es zu zerreißen. Kurz gesagt, es ist eine ganze Wissenschaft für sich, die des Studiums bedarf, und nicht jeder ist dazu begabt. Wie ein Akrobat, der auf dem Seil tanzt.«
    »Abu Mahmad, gesegnet sei deine Zunge«, sagte Abu George. »Es ist eine uralte Kultur des Orients, die der moderne Westen nicht nachvollziehen kann und die er schnell als dumme und nicht vertrauenswürdige Verstellung verurteilt. ›Bei ihnen ist ein Wort kein Wort‹, sagen die meisten mit Überheblichkeit, und nur wenige sehen es so wie Sie. Und nun, meine Verehrtesten, tafaddalu, zu Tisch.«
    »Vielen Dank, aber Frau Schadmi bringt mich um, wenn ich meine Diät nicht einhalte«, erwiderte Professor Schadmi augenzwinkernd, hielt ein Taxi an und fuhr davon.

     
    Alisa trat in mein Zimmer, stellte eine Karaffe kaltes Wasser auf den Tisch und legte einen Stapel Briefe ab. Meine Augen blieben an einem hübschen blauen Umschlag mit der Adresse auf Englisch hängen. Darin fand ich ein Gedicht, dem ein Zettel beigelegt war:
    »Schalom, Nuri, bei unserem Treffen im al-Hurrije, nach dem Essen bei uns zu Hause, haben Sie mir ein Gedicht vorgelesen. Hier ist ein Gegengedicht. Jasmin.«
     
    »Das Gesicht der Heimat«
von Tadeusz Rosewicz
     
    Die Heimat ist das Land der Kindheit,
der Ort der Geburt,
das ist die kleine Heimat,
die am allernächsten ist.
     
    Stadt, Kleinstadt, Dorf,
Straße, Haus, Hof,
erste Liebe,
Wald am Horizont,
Gräber.
     
    In der Kindheit erfährt man
Blumen, Heilkräuter, Getreide,
Tiere
Felder Weide
Worte Kühe
     
    Die Heimat lacht
     
    Am Anfang ist die Heimat
nah
in Reichweite

    erst danach wächst sie heran
blutend
schmerzend.
     
    Ich faltete den Zettel und das Gedicht zusammen, steckte sie in den schönen Umschlag zurück und legte ihn in die Schublade. Heute Morgen, als wir uns trafen, hatte sie mir nicht einmal angedeutet, dass sie einen Brief geschickt hatte!

21.
    EIN PICKNICK MIT MICHELLE
    Michelle rief an und lud mich ein, am Schabbat an einem Familienpicknick am Meer teilzunehmen. Ich versuchte, mich mit dem Vorwand zu entziehen, dass viel Arbeit auf mich wartete, doch ich konnte ihrem Drängen nicht standhalten: »Bitte, komm, ich brauche dich. Hélène und Robert sind angekommen, meine Schwester und mein Schwager, der Partner meines Bräutigams, und jetzt üben auch sie, genau wie meine kranke Mutter, Druck auf mich aus, endlich zu heiraten. Sie werden mir keinen Augenblick Ruhe lassen, wenn du nicht dabei bist.«
    Wir machten uns frühmorgens in ihrem Peugeot 404 auf den Weg, den sie als Neueinwanderin zollfrei erworben hatte.

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