Jasmin - Roman
Das Auto flog nur so dahin, und schneller als gewöhnlich erreichten wir ein lauschiges Plätzchen zwischen Herzelia und dem Kibbuz Ga’asch. Wir richteten uns unter einem großen Sonnenschirm am ruhigen Strand ein, vom Meer wehte eine angenehme Brise mit Salzgeschmack. Hélène und Michelle deckten einen Klapptisch, von dem üppige Gerüche nach geräuchertem Fisch, das Aroma erlesener Würste und natürlich des französischen Senfs aufstiegen.
Robert hatte roten und weißen Wein aus dem Weinkeller, den er mit Jean Claude betrieb, mitgebracht. Er schenkte ein, wackelte mit der Nase über den Gläsern und sagte mit feierlichem Gesicht: »Riech mal, riech.«
Ich tat wie geheißen und spürte, wie das Aroma meine Nasenhöhlen streichelte. Wir hoben die Gläser, und ich machte mich auf einen sauren Geschmack gefasst, doch er war ganz anders, angenehm und anregend. Der Wein war ein reines Vergnügen,
zum ersten Mal genoss ich trockenen Wein. Michelle schmiegte sich an mich, demonstrierte Besitzanspruch, und ich gestehe, dass ich mich kooperativ verhielt. Ich begriff, dass ich ihr helfen sollte, gegenüber ihrer Familie klarzustellen, dass ihre Lebensplanung nicht ausschließich an Jean Claude hing.
Weinselig verkündete Robert, es sei sein Traum, nach Israel auszuwandern, sich im Westjordanland niederzulassen und eine große Weinkellerei zu gründen. »Nuri, kannst du mir helfen?«, fragte er, und im Nu verflüchtigte sich die entspannte Stimmung.
»Ich verstehe nichts von Weinen, vielleicht erklärst du mir, was man braucht, um eine Weinkellerei zu errichten.«
»Trauben«, lachte er.
»Und warum gerade jetzt?«
»Weil die Kriege vorbei sind, mein Lieber! Es ist Zeit für Wein, für Restaurants. Ihr habt es verdient, wie Menschen zu leben, wie die Franzosen und die Skandinavier, euren Kopf mit den wirklich wichtigen Fragen zu beschäftigen, wohin man in die Ferien fahren soll und wie man sich’s gutgehen lässt.«
»Wirklich paradiesische Zeiten.«
»Ein normales Leben, das ist alles. Ihr wisst nicht zu leben, mein Lieber, und, mit Verlaub gesagt, ihr dürft ruhig etwas von uns lernen«, sagte er und streichelte Hélènes Arm.
»Da hast du den Richtigen gefunden, um über Amüsement zu reden. Ich habe ihn nur mit Mühe überreden können, heute mitzukommen. Und er war in seinem ganzen Leben nie im Ausland«, bemerkte Michelle.
»Und warum ausgerechnet im Westjordanland?«, fuhr ich fort zu fragen.
»Weil man dort erlesene Trauben züchten kann. In Bethlehem und Hebron haben wir Trauben wie in Bordeaux gefunden.«
»Und wenn wir die Gebiete zurückgeben?«
»Warum zurückgeben? Weil es unter euch linke Intellektuelle gibt, die an einem doppelten Schuldkomplex leiden, als ob sie
wirklich Jesus gekreuzigt hätten und die Palästinenser gleich dazu? Wenn ich gewusst hätte, dass du Französisch kannst, hätte ich dir ihre Artikel in Le Monde mitgebracht. Warum sollten wir auf unseren Boden verzichten, den wir mit Blut erobert haben?« Er zündete sich eine Zigarre an und warf das Streichholz schwungvoll in den Sand.
»Robert, reg dich nicht auf, diese Intellektuellen sind nicht die Linke, sie sind die Anwälte der Palästinenser«, sagte Michelle, streckte Hélène ihre Hand entgegen, und die beiden gingen schwimmen.
Ein junges Paar neben uns spielte Strandpingpong. Das Auftreffen des Balls begleitete rhythmisch Roberts feurige Worte über »unser Erbe«. Ich hatte gute Lust, diesen Dampfplauderer darauf hinzuweisen, dass er davor erst einmal nach Israel einwandern, in der Armee dienen und Steuern zahlen solle und danach seinen Weinkeller in Samaria etablieren. Er redete wie einer dieser Pioniere, wollte es ihnen gleichtun, sie ersetzen, um von Paris aus, der Hauptstadt der Welt, eine weitere Strophe des Gedichts »Wir werden die Ersten sein« zu schreiben.
Die Pingpongspielerin neben uns war ein hochgewachsenes junges Mädchen mit wundervoll geformtem Becken, das eine verlockende Weichheit an sich hatte. Gott hatte der Frau so viel Schönheit, Anmut und Begehrenswertes gegeben. Wer konnte entscheiden, was schöner war, das Haar, das Gesicht, die Schultern, die vibrierende Brust, das Becken, die Schenkel? Alles war schön.
»Siehst du, was ich sehe?«, zwinkerte mir Robert zu, der sich mit den Würstchen beschäftigte, sie in Senf tauchte, abbiss und genussvoll kaute. »Iss, es sind koschere Würstchen«, drängte er mich. Er setzte sich, schenkte uns weiteren Wein ein und wiederholte das Ritual von
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