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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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der Gedanke an sie nicht schlafen, ließ nicht zu, dass ich die Frage verdrängte: Warum hast du nicht mit ihr geschlafen? Weil sie betrunken war? Und war Michelle etwa nicht betrunken, als sie dich zu ihrem Bett zog? Das kann man nicht vergleichen, widersprach ich meiner eigenen Überlegung. Genosse, mach es dir bloß nicht so leicht. Wie konntest du nach der Erziehung im Kibbuz und zwanzig Jahren in der westlichen Gesellschaft ein bescheuerter Orientale bleiben? Oder bist du vielleicht trotz deines gockelhaften Getues noch ein Küken, das sich vor Verpflichtung fürchtet? Entscheide dich, du könntest sie verlieren, wie Jardena, und dann wirst du dein ganzes Leben lang dem Versäumten nachtrauern. Was für eine irrsinnige Nacht.
     
    Das schrille Klingeln des Telefons riss mich aus dem Schlaf.
    »Einen süßen Morgen, mein Geliebter. Ich sehne mich nach dir, ich möchte sehen, wie du die Augen aufschlägst und die erste Silbe hören, die du aussprichst«, flüsterte Jasmin.
    »Einen wunderbaren Morgen, mein schönes Lächeln«, erwiderte ich und stand auf zu einem neuen Tag.

38.
    EIN EINFACHER WERKTAG
    Jasmin und ich hatten vereinbart, uns am Abend zu treffen, doch sie kam mir zuvor und betrat um drei Uhr nachmittags mein Büro, lächelte geheimnisvoll und sagte: »Komm mit, das Papier läuft dir nicht davon.«
    Die rätselhafte Einladung klärte sich am Eingang des Smadar-Kinos in der deutschen Kolonie auf: Wir gingen in die Nachmittagsvorstellung. Ja salam, ich hatte schon fast vergessen, dass es solche Dinge auf der Welt gab.
    Aus dem Frühling draußen traten wir in den dunklen Saal. Jeanne Moreau, die Göttin meiner Jugend, strahlte uns von der Leinwand herunter an, hinreißend wie immer mit ihrer breiten Stirn, ihren intensiven Augen und sinnlichen Lippen. Welche Vollkommenheit, sie dort zu sehen, während meine Jasmin neben mir saß und ihre Hand, warm und weich, in meiner lag.
    »Weißt du, dass Jeanne Moreau eine stürmische Affäre mit dem homosexuellen Designer Pierre Cardin unterhielt?«, sagte Jasmin, als wir auf die grüne, stille Straße hinaustraten. »Sie war die Erste für ihn, und es geschah in Venedig, im Danieli, im Zimmer von George Sand und Alfred de Musset.«
    »Wer könnte Jeanne Moreau widerstehen?«, erklärte ich die Ausnahme, die Cardin gemacht hatte, und deutete mit einem Lächeln auf Jasmin selbst.
    »Jetzt übertreib nicht.« Sie erwiderte das Lächeln.
    Es war die Dämmerstunde zwischen Licht und Dunkelheit. Ein angenehmer Wind wehte, leicht und streichelnd. Ich konnte mir nicht erklären, woher dieser andere Wind auf einmal kam, nach
jener seltsamen, stürmischen und explosiven Nacht, die uns in meinem Appartement verstört hatte. Ich bemühte mich auch nicht, es zu verstehen. Es war gut, dass alles dahinströmte. Und es war gut, sich mit dem Strom treiben zu lassen. Jasmin bat mich, eine Rundfahrt mit dem Auto zu machen. Sie streifte ihre Schuhe ab und schlug ihre Beine übereinander, wie es ihre Gewohnheit war, lehnte den Kopf zurück und sang auf Französisch das Lied, das Jeanne Moreau gesungen hatte:
     
    Wieder zusammen, Herz an Herz,
zusammen machen wir noch eine Runde,
Hand in Hand, du und ich.
     
    Wir fuhren durch die schmalen Straßen der deutschen Kolonie, weideten unsere Augen an den Templergebäuden und fuhren immer weiter, bis wir uns in Jemin Mosche wiederfanden, ins reine Abendlicht getaucht wie die Jerusalemer Altstadtmauern vor uns. Wir betrachteten die weichen Konturen der erhellten Stadtmauern, während wir mit Appetit die Wurstbrötchen verzehrten, die wir vorher am Kiosk gekauft hatten. Jasmins Haar spielte im Wind, verströmte angenehmen Duft, und ich steckte mein Gesicht hinein, atmete wie ein Kind die Wärme ihres Körpers, die die nagende Furcht in die Flucht schlug. Ich wollte die Zeit anhalten, den Augenblick ins Unendliche ausdehnen, er sollte nie zu Ende gehen. Niemals.
     
    Anschließend gingen wir ins Haus des Schriftstellers, zu einem literarischen Abend mit einem jungen, talentierten Schriftsteller, der sich bereits mit seinem ersten Buch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit katapultiert hatte. Eine Woche zuvor hatte ich zwei Exemplare seines neuen Romans − für mich und Jasmin − erstanden, und ich hatte ihr eine Widmung aus einem Gedicht Bialiks dazugeschrieben:

     
    Birg mich unter deinen Schwingen!
Willst du mir Mutter, Schwester sein?
Und dein Schoß mir Nest und Zuflucht
Flehender, verirrter Pein?
     
    Wir hatten das Buch beide schon

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