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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Stammesmitglieder werden die Fähigkeit verlieren, ein Wüstenleben zu führen und sich mit wenigem zu begnügen, ihr gemeinschaftliches Bewusstsein wird nachlassen ebenso wie ihr Mut, und sie werden sich einem angenehmen und einträglichen Leben hingeben … Ihre Kinder werden in einer Atmosphäre der Überheblichkeit leben und es für eine Herabwürdigung halten, sich selbst zu dienen und um ihre eigenen
Bedürfnisse zu kümmern … und ihre Größe wird in den ihnen nachfolgenden Generationen abnehmen, bis sie völlig aufgezehrt ist.«
    »Mein Lieber, du fühlst dich jetzt gerade nicht gut, und deshalb übertreibst du ziemlich«, sagte Pe’era. »Hast du ihm die neuen Studienhefte gezeigt?«, fragte sie dann, um das Thema zu wechseln.
    Er holte zwei prächtige Hefte auf Arabisch heraus, eines aus Saudi-Arabien und eines aus dem Irak, blätterte darin und deutete auf zwei Artikel, die seinen Namen trugen.
    »Sie haben die Artikel, die ich geschickt habe, hübsch und exakt abgedruckt, es fehlt hier nur die Anmerkung, dass ich ein israelischer Jude bin«, lächelte er. Danach fragte er mich wie üblich nach der Lage in den besetzten Gebieten.
    »Es ist schwer für mich«, erwiderte ich, »die Einstellung zur arabischen Bevölkerung bei uns erzeugt Probleme, die nicht notwendig sind, ich stimme dem nicht zu. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr ringe ich mit mir selbst.« Ich erzählte ihm von ein paar Vorfällen, die mir exemplarische Bedeutung zu haben schienen.
    Schadmi ließ seinen Blick auf mir ruhen, richtete sich in seinem Sessel auf und sagte: »Behalten Sie immer im Gedächtnis, mein Lieber, dass es sich um zwei Kulturen handelt, um zwei verschiedene psychologische Systeme. Ihre Kultur ist die von Schande und Ehre, und wenn Sie mir gestatten, einmal oberflächlich zu sein, bei uns, den Israelis, werden Chuzpe, Tacheles und Prahlerei immer verbreiteter und stärker. Ihr Weg ist der Weg der unterdrückten Tradition, und bei uns herrscht die Improvisation. Es wird häufig vorkommen, dass wir sie nicht verstehen und sie uns nicht, und das ist eine zusätzliche Tragödie in diesem Konflikt. Wir werden nicht viel erreichen, wenn wir sie nach unseren Begriffen beurteilen. Daher erwarte ich keine baldige Lösung. Die Euphorie und die große Sicherheit infolge des Sieges sind eine Seifenblase, die platzen wird.

    Und es gibt noch etwas, eine Kleinigkeit dem Anschein nach, das zwischenmenschliche Benehmen. Wir mit unserem Mangel an Umgangsformen haben unsere Kinder zu der schlicht dummen Weisheit von stachligen, wenn auch liebenswürdigen Sabres erzogen, zu einem direkten, lärmenden, auffallenden Auftreten, wogegen sie höflich sind, Manieren und Glattzüngigkeit vollkommen beherrschen, auch Liebenswürdigkeiten und Zuneigungsbezeugungen, was zu gefährlichen Missverständnissen führt.
    Und da Sie mein Verhältnis zu Ihnen kennen, seit ich Sie am Har Hazofim als jungen Soldaten kennengelernt habe, sage ich Ihnen noch etwas. Ihr, die Abkömmlinge aus den orientalischen Ländern, kennt ihre Seele und Sprache von Geburt an, und ihr hättet als Brücke zu ihnen dienen können. Doch das ist nicht geschehen. Es ist euch nicht gelungen, uns das einzuflößen, was ihr mit Intuition und in Kenntnis unserer arabischen Nachbarn wisst. Ihr habt euch assimiliert oder seid assimiliert worden, das kann ich schwer beurteilen, in unserer minderwertigen Kultur hier. Das ist ein schwerer Verlust und ein gravierender nationaler Schaden.
    Man ist sich hier nicht bewusst, dass wir auf einem Vulkan sitzen. Man braucht die Kunst der Staatsdiplomatie eines Weizmann und die Weitsicht von Scharett, den Mut Ben Gurions und die praktische Nüchternheit Eschkols, um sich aus dieser Notlage zu befreien. Und hier, wenn Sie erlauben, höre ich auf, denn ich begebe mich auf den schwankenden Grund der Politik.«
    »Mein verehrter Professor, vielleicht kommen Sie und sprechen beim Kongress der Parteijugend zum Thema des israelisch-arabischen Konflikts. Auch mein Onkel Chizkel, von dem ich Ihnen erzählte, soll dort sprechen. Die Differenzierungen, die Sie mir gerade erläutert haben, sind wichtig und befruchtend und von großem Interesse, gerade wegen der Meinungsverschiedenheiten, die sie auslösen werden.«
    »Wenn ich gesund werde und diese Plage von mir genommen
ist«, er deutete auf den aufgerissenen Balkon, »werde ich gerne kommen.«
    Bevor er sich von mir verabschiedete, stand er auf, strich mit der Hand kurz über meinen Nacken und sagte.

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