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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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denn Abu George weigerte sich immer, von mir eine Bezahlung anzunehmen. Doch diesmal beschloss ich, etwas zu bestellen und zu warten, bis Jasmin frei wäre, schon allein deswegen, damit sie nicht merken würde, dass ich im Auftrag ihres verzweifelten Vaters gekommen war. In dem Moment, in dem ich an dem Ecktisch neben dem Granatapfelbaum saß, versank sie wieder in ihrer Unterhaltung mit Nahad und gönnte mir keinen einzigen Blick. Mit ihrer Freundin wirkte sie heiter, befreit, lachte sogar, vollkommen anders als die erstarrte Frau, die ich im American Colony kennengelernt hatte. Ihr dunkelbraunes Haar schimmerte, hin und wieder strich sie es zur Seite. Ich versuchte, in dem letzten Heft des Neuer Osten zu lesen, das ich mitgebracht hatte und das diesmal Ägypten gewidmet war.

    Nach einiger Zeit stand Nahad auf, um zu gehen, schüttelte ihren Kopf wie ein Hündchen, das aus einem Bad im Fluss heraussprang. Jasmin begleitete sie nach draußen, kehrte zurück und musterte die Gäste, bis sich ihr Blick mit meinem kreuzte. Sie kam zu mir, wie es sich für die Hausherrin gehörte, schien aber angespannt. Ich legte Gabel und Messer auf den Teller zum Zeichen, dass ich die Mahlzeit beendet hatte, lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und lud sie mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen.
    »Schmeckt Ihnen unser Essen nicht?« Sie musterte meinen Teller.
    »Am Morgen iss wie ein König, am Mittag wie ein Fürst und am Abend wie ein Bettler«, zitierte ich ein altes Sprichwort und fügte hinzu: »Ich sollte also jetzt wie ein Fürst essen, wobei das Essen hier unbestritten königlich ist, aber ich bin wirklich nicht hungrig. Wo ist Abu George, wie geht es ihm? Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht.«
    »Meinem Vater geht es gut«, wehrte sie heftig ab.
    »Als wir nach Israel eingewandert sind, hat mein Vater an einem ähnlichen Husten gelitten.«
    Ihr Blick verhärtete sich, weigerte sich, auf die Vertraulichkeit einzugehen, die ich angetippt hatte.
    »Leisten Sie mir bei der Melone Gesellschaft?«
    Sie schüttelte den Kopf, beängstigend ernst, als hielte sie ein böser Geist in seinen Klauen.
    »Ich habe mich gefreut, Sie in guter Stimmung zu sehen, mit Nahad.«
    »Ich liebe es, mit Freunden zusammenzusitzen.« Sie sah an mir vorbei, ihr Blick ruhte auf dem Magazin, auf dessen Umschlag ein Foto von Gamal Abd el-Nasser abgebildet war. Ihre Neugier war geweckt, und sie griff mit beiden Händen nach der Zeitschrift. »Was ist das?«
    »Es gibt hier einen Artikel, der sich mit dem Rücktritt von Nasser beschäftigt«, antwortete ich. »Es wird die These vertreten,
dass er sich nicht so schnell hätte zurückziehen sollen, dass er den Untergang hätte ausschöpfen müssen …«
    Ihr Blick war wie eine Ohrfeige: »Sie werden mir nicht erzählen, was Untergang ist.« Wieder blickte sie auf das Bild. »Großer Gott, das ist das Foto, das Le Monde am Tag seiner Abdankung veröffentlicht hat. Er sieht so traurig und müde aus … Ich werde diese Nacht nie vergessen. Jeder stolze und freiheitsliebende Araber wird Ihnen sagen können, wo er damals war.«
    »Ich war zu Hause und hörte mit meinem Vater seine Rede an.«
    »Und ich wollte gerade in ein Konzert der Beatles gehen, und als Papa mich in Paris anrief und sagte, dass Nasser eine Rede halten würde, habe ich sofort meine Bekannten angerufen und abgesagt. Normalerweise habe ich mich auf seine Reden wie auf ein Fest vorbereitet, aber an jenem Abend war ich in Sorge, ruhelos. Es war seine erste Rede nach dem Krieg …«
    »Und was für eine!«, fiel ich ihr mit wedelnder Hand ins Wort und begann, Sätze daraus zu zitieren: »O Brüder! Wir haben uns daran gewöhnt, in Zeiten des Sieges und der Not zusammen zu sein, in den schönen Stunden und den bitteren Stunden, wir haben uns daran gewöhnt, zusammenzusitzen und unverhüllt zu reden mit offenen Herzen…O meine Brüder, ihr Bürger, ich habe beschlossen, endgültig und unwiderruflich von jeder Aufgabe, öffentlich oder politisch, zurückzutreten. Ich kehre in die Reihen der Menge zurück … Der Imperialismus vermeint, dass Gamal Abd el-Nasser sein Feind sei, doch ich will ihm klarmachen, dass die gesamte arabische Gemeinschaft gegen ihn ist, und nicht allein Gamal Abd el-Nasser … Die Hoffnung der arabischen Einheit hat vor Gamal Abd el-Nasser begonnen und wird nach Gamal Abd el-Nasser bestehen bleiben …«
    Jasmin blickte mich gebannt und ungläubig an, mit Tränen in den Augen, und ich verstummte. Sie schluckte. »Ein

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