J.D.SALINGER Neun Erzählungen
der dritten Base und weinte. Der Häuptling hielt sie am Ärmel ihres Bibermantels gepackt, doch sie riss sich von ihm los. Sie rannte vom Feld auf den Zementweg und rannte weiter, bis ich sie nicht mehr sah. Der Häuptling lief ihr nicht nach. Er stand einfach da und blickte ihr nach, wie sie verschwand. Dann drehte er sich um, ging zur Home Plate und hob unsere beiden Schläger auf; wir ließen die Schläger immer liegen, damit er sie trug. Ich ging zu ihm hin und fragte ihn, ob er und Mary Hudson sich gestritten hätten. Er sagte, ich solle mir das Hemd in die Hose stecken.
Genau wie immer rannten die Komantschen die letzten hundert Meter zu der Stelle, wo der Bus geparkt war; sie schrien, schubsten, probierten aneinander Würgegriffe aus, doch war uns allen bewusst, dass es wieder Zeit für den »Lachenden Mann« war. Als wir über die Fifth Avenue rannten, fiel einem sein Ersatz - oder ausgezogener Pullover herunter, ich stolperte darüber und schlug hin. Ich rannte dennoch weiter zum Bus, aber inzwischen wa r en die besten Plätze schon besetzt, und ich musste mich in die Busmitte setzen. Über die Verteilung verärgert, knuffte ich den Jungen, der rechts von mir saß, mit dem Ellbogen in die Rippen, wandte mich dann um und beobachtete, wie der Häuptling die Fifth überquerte. Es war noch nicht dunkel, aber eine Viertel - n ach - f ünf - Dämmerung hatte schon eingesetzt. Der Häuptling überquerte die Straße mit hochgeschlagenem Mantelkragen, die Schläger unter dem linken Arm, auf die Straße konzentriert. Seine schwarzen Haare, die er vorher noch nass gekämmt hatte, waren jetzt trocken und wehten. Ich weiß noch, dass ich mir wünschte, der Häuptling hätte Handschuhe.
Wie immer war der Bus still, als er einstieg – jedenfalls so verhältnismäßig still wie ein Theater mit erlöschender Saalbeleuchtung. Gespräche wurden in hastigem Geflüster beendet oder gleich abgebrochen. Dennoch sagte der Häuptling als Erstes: »Also gut, Schluss mit dem Lärm, sonst gibt’s keine Geschichte .« A uf der Stelle erfüllte den Bus bedingungsloses Schweigen, sodass dem Häuptling keine andere Wahl blieb, als seine Erzählposition einzunehmen. Nachdem er das getan hatte, zog er ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich methodisch, jeweils ein Nasenloch. Wir beobachteten ihn geduldig und sogar mit einem gewissen Zuschauerinteresse. Als er mit seinem Taschentuch fertig war, faltete er es säuberlich doppelt und steckte es wieder in die Tasche. Dann trug er uns die neue Folge des »Lachenden Mannes« vor. Vom Anfang bis zum Ende dauerte sie nicht länger als fünf Minuten.
Vier von Dufarges Kugeln trafen den lachenden Mann, zwei davon ins Herz. Als Dufarge, der die Augen noch immer vor dem Anblick des Gesichts des lachenden Mannes schützte, aus der Richtung des Ziels sonderbar qual v olles Röcheln hörte, war er überglücklich. Sein schwarzes Herz schlug wie wild, als er zu seiner bewusstlosen Tochter lief und sie wiederbelebte. Die beiden, außer sich vor Freude und Feiglingsmut, wagten es nun, den lachenden Mann anzusehen. Dessen Kopf war wie sterbend geneigt, das Kinn lag auf der blutenden Brust. Langsam, gierig traten Vater und Tochter hin, um ihren Erfolg in Augenschein zu nehmen. Eine schöne Überraschung erwartete sie. Der lachende Mann, alles andere als tot, zog insgeheim die Bauchmuskeln zusammen. Als die Dufarges in Reichweite waren, hob er plötzlich das Gesicht, stieß ein schreckliches Lachen aus und würgte säuberlich, ja sorgsam alle vier Kugeln hervor. Die Wirkung dieses Kunststücks auf die Dufarges war so heftig, dass ihre Herzen buchstäblich platzten und sie zu Füßen des lachenden Mannes tot zusammenbrachen. (Sollte die Folge ohnehin nur kurz gewesen sein, hätte sie da auch enden können, dann hätten sich die Komantschen den jähen Tod der Dufarges auch rational erklären können. Doch sie endete damit nicht.) Tag um Tag stand der lachende Mann an dem Baum, mit Stacheldraht daran festgebunden, während die Dufarges zu seinen Füßen verwesten. Stark blutend und von seinem Vorrat an Adlerblut abgeschnitten, war er dem Tod nie näher gewesen. Eines Tages jedoch wandte er sich mit heiserer, aber beredter Stimme an die Tiere des Waldes um Hilfe. Er forderte sie auf, Omba zu holen, den liebenswerten Zwerg. Sie taten es. Doch es war ein langer Weg hin und wieder zurück über die Pariser - c hinesische Grenze, und als Omba schließlich mit Arztkoffer und einem frischen Vorrat an Adlerblut am
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