Je länger, je lieber - Roman
Tochter, geführt hat.« Antoni sah Mimi pikiert an. »Das wissen Sie nicht? Ich denke, Ihre Großmutter hat die Sommer ihrer Kind heit bei Casado in Cadaqués verbracht. Dann sollten Sie auch wissen, dass Jacques mit Daria und ihrem Sohn Pedro in Südfrankreich gelebt hat, bis …!«
»Daria war Casados Tochter«, flüsterte Mimi. Wer sonst! Wenn Jacques Barreto Casados Schwiegersohn gewesen war.
»Das sagte ich bereits. Dann wissen Sie vermutlich auch nicht, dass die beiden Furchtbares durchlitten haben!« Antoni Fuchs machte ein mitleidiges Gesicht. »Und, wie schmeckt Ihnen der Kaffee? So einen guten bekommen Sie weltweit kein zweites Mal.«
Mimi nickte abwesend. »Wissen Sie, ob Jacques Barreto noch lebt?«
Der schmächtige Mann nahm seine Brille ab und legte sie vor sich auf den Tisch. »Verraten Sie mir, was Sie von ihm wollen?«
»Ich will ihn für meine Großmutter finden, damit sie sich noch einmal sehen, bevor sie …« Mimi zwinkerte hilflos. »Bevor sie stirbt. Sie und Jacques haben sich einmal sehr geliebt.«
»Aber sie haben nicht zusammenfinden können, weil er Daria heiraten musste.« Der schmächtige Mann mit den strengen Gesichtszügen sah Mimi mit einem Mal mitfühlend an. »Was für eine tragische Liebesgeschichte.«
»Sie kennen die Geschichte? Woher?«
»Ich bin erst durch Sie darauf gestoßen. Bisher war diese Geschichte ein gut gehütetes Familiengeheimnis. Doch der Sammler, der das unbekannte Gemälde mit den beiden badenden Mädchen besitzt, hat sein Schweigen gebrochen. Er erzählte mir, dass sein Großvater Bartoli sich offenbar nicht ganz fair Casados Familie gegenüber verhalten hatte. Obwohl sein Vater Federico zeitlebens ein großer Bewunderer von ihm war.« Antoni setzte sich seine Brille wieder auf und trank den Kaffee in einem Zug aus. »Was heißt Bewunderer? Federico Gasset war Casados Galerist für ganz Spanien. Bartoli allerdings hatte überhaupt kein Taktgefühl. Trotzdem er verheiratet war, nutzte er die jugendliche Verliebtheit Darias aus und schwängerte das arme Mädchen. Doch um seine Ehe und den Ruf der Familie zu retten, zwang dieser Schmierfink Bartoli Casado, diese »unerfreuliche« Geschichte wieder in Ordnung zu bringen, wenn ihm etwas an der weiteren Zusammenarbeit mit seinem Vater Federico lag. In seiner Panik, seine Reputation zu verlieren, zwang wiederum Casado diesen armen Jungen Jacques, seine Tochter Daria zu heiraten.«
»Das heißt«, Mimi blickte Antoni konzentriert an, »das heißt, Daria und Jacques haben nicht aus Liebe geheiratet?«
»Ich würde sagen, es war eine komplett unfreiwillige Hochzeit. Warum Jacques das allerdings mit sich hat machen lassen, müssen Sie ihn selber fragen. Soviel ich weiß, lebt Barreto bei seinem Sohn und seiner Enkelin in Arles. Fahren Sie hin. Reden Sie mit ihm. Sagen Sie ihm, dass Ihre Großmutter noch lebt. Die genaue Adresse kann ich sicherlich noch für Sie herausbekommen.«
»Nicht nötig.« Mimi lächelte dankbar. »Die finde ich bestimmt im Internet.«
Antoni erhob sich von seinem Stuhl. »Es wird Zeit für mich zu gehen. Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen konnte. Halten Sie mich auf dem Laufenden, wie es Ihrer Großmutter und Jacques Barreto geht, und vielleicht haben die beiden ja Lust, unserem Museum ein kleines Interview zu geben, wie es damals für sie als Jugendliche war, den großen Meister persönlich zu kennen. Vorausgesetzt, die Liebe schenkt ihnen noch einmal neue Lebenskraft.«
Auf einmal wirkte Antoni Fuchs gar nicht mehr so streng und zugeknöpft. Er steckte seine Brille in die Brusttasche und reichte Mimi die Hand. Als sie ihm ihre gab, hielt er sie für einen Moment fest. »Ich bewundere Ihre Zähigkeit und Ihren Willen, ans Ziel zu kommen. Wissen Sie, darin sind wir uns sehr ähnlich. Verbissenheit nennen es die einen. Ich nenne es Leidenschaft.«
Damit deutete Antoni einen formvollendeten Handkuss an und zwinkerte Mimi zu. Dann verschwand er in den Menschenmassen, die sich träge zwischen den Marktständen hindurchdrängten und die Auslagen fotografierten. Mimi sah ihm nach. War es tatsächlich so, dass sie voller Leidenschaft ein Ziel verfolgte? Warum gab sie dann, was ihre Ehe anbelangte, doch so schnell auf? Was, wenn René recht hatte und ihre Liebe eine zweite Chance verdiente, um sich überhaupt entfalten zu können? Entschlossen griff sie in ihre Handtasche und zog ihr Telefon hervor. Dann wollte sie sich mal ans nächste Ziel machen. Auch wenn es impulsiv und vielleicht
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