Je mehr ich dir gebe (German Edition)
gibt es immer eine Verzögerung. Langsam wird das Badewasser kühl, Kolja lässt warmes nachlaufen.
Julia blinzelt durch halb geöffnete Lider. Weiße Wolken ziehen vorbei. – Darauf werden sie gleich schweben.
Kolja steht auf, Wasser schwappt über die Wanne, rinnt ihm die Brust hinab, über den Bauch, perlt von seinem aufrecht stehenden Schwanz. Er schlingt sich ein Handtuch um, hält eins für sie bereit. Ihre Glieder sind schwer, als hätte sie das Wasser nach unten gedrückt. Sie kann kaum aufstehen. Kolja wickelt sie ins Tuch, umarmt sie von hinten, tupft ihr Küsse in den Nacken.
Sie fühlt ihn, hart an ihrem Hintern. Dann entgleitet ihr der Boden unter den Füßen. Als er sie hochhebt, sieht sie über seine Schultern hinweg die Quietscheente, wie sie nun, Schnabel oben, auf dem leeren Wasser wackelt.
Kolja trägt sie aus dem Badezimmer, über den Flur, ins Schlafzimmer, legt sie aufs Bett. Über dem Kopfende hängt ein Zettel an der Wand mit großen schwarzen Buchstaben. Julia dreht den Kopf, damit sie lesen kann, was dort steht: Der Eros ist das Verlangen der Sterblichen nach Unsterblichkeit. (Sokrates)
KAPITEL 18
Faire l’amour, Teil II
Sie liegt auf dem Bauch und soll an nichts denken. Einfach nur liegen, sich entspannen, im Kopf ein Fenster aufmachen. Was von einer Seite reinweht, auf der anderen Seite wieder rauslassen. Kolja hat die Hände voller Sheabutter, ausgerechnet Sheabutter. Seine flache Hand gleitet über ihre Wirbelsäule, Wirbel für Wirbel, von unten nach oben über das rechte Schulterblatt. Finger umkreisen ihre Schulter, streichen wie ein Violinbogen über ihr Schlüsselbein, spazieren zum Hals und kneten den Muskel, dann streicht die flache Hand wieder über die Wirbelsäule abwärts. Die Berührung tröpfelt auf dem Steißbein aus. Julia seufzt. Kolja berührt sie genau wie Jonas, tastet sich wie ein Blinder über ihren Körper, will jeden Zentimeter fühlen, ist neugierig, aber nicht forsch. Dann, aus dem Nichts, fällt eine Stimme in den Raum, rieselt von der Decke in ihre Ohren: Benjamin Biolay. Seine Stimme ist so weich wie das Kissen unter ihrem Bauch. Warmer Wind bläst durch das offene Fenster. Adieu triste amour …
Sie liegt wie ausgegossen. Kolja lässt einen Finger über ihre Poritze gleiten, bis ganz nach unten, da, wo sie am wärmsten ist. Sie darf sich nicht bewegen, nicht die Beine öffnen, nur darauf warten, bis er sie umdreht und auf ihren Bauch malt, dieselben Zeichen, wie er sie auf der Rückseite gemalt hat. Es gibt nichts zu entziffern, nur zu genießen. Je te laisse pour un long moment … Er umschleicht ihren Busen, küsst ihren Hals, den Mund und nestelt sich mit den Fingern ein. Jonas spielt Musik auf ihr, in ihr –, bis sie immer mehr anschwillt und schließlich – platzt. Millionen silberne Wassertropfen sprühen auf sie nieder.
Kolja liegt neben ihr, lässt sie verschnaufen, zur Ruhe kommen, flüstert ihr ins Ohr, wie schön sie sei.
Die Welt ist eine Insel, ein Wanken im Meer. Wasserlos und schwebend. Kleine Sterne fallen herab und verzischen auf ihrer nassen Haut. Nur der Hals ist trocken; und die Zeit verschäumt.
Dann ist es dunkel. Kolja schläft neben ihr wie ein kleiner Junge. Jonas schwebt noch über ihr. Sie macht die Augen zu. Er war die ganze Zeit da, in ihr und neben ihr und auf ihr und unter ihr. Er deckt sie zu; kühle Seide auf der Haut. Wenn er doch nur einen Schritt näher kommen könnte, nur einen Schritt! Herübersteigen aus seiner Welt in ihre. Jetzt! Nur ein Schritt bis ins Bett und dann … würde sie ihn festhalten und ihn nie wieder loslassen!
Kolja wacht auf, blinzelt sie an. Seine dunkelbraunen Augen sind nicht blaugrün. Er riecht auch anders als Jonas. Er schmiegt sich an sie, schiebt einen Arm unter sie, hält sie ganz fest, im Liegen. Sie würde sich gern zusammenrollen, wie eine Katze, in sich versinken. Was hat sie getan? Sie hat Jonas betrogen, mit seinem besten Freund!
»Schschscht«, macht Kolja und streichelt ihr mit einer Hand durch die Haare. »Alles ist gut.« Sie nickt.
»Wir müssen uns nicht schuldig fühlen. Jonas war bei uns«, sagt er leise.
Sie dreht sich um. »Ja. Hast du das auch gemerkt?«
»Natürlich. Und er gibt uns seinen Segen.«
Julia muss sich hinsetzen, sie bekommt keine Luft mehr im Liegen.
»Er wollte es. Ich habe es genau gespürt. Nur dadurch kann er sich zeigen und bei dir sein.«
Was spricht Kolja da aus? – Was hat er gesagt?
Julia muss sich etwas anziehen, holt
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