Je mehr ich dir gebe (German Edition)
Eine stellt er aufs Spülbecken, die andere auf einen Hocker, mitten im Bad. Er lässt die Jalousien runter.
»Jetzt ist es so gemütlich wie im Mutterbauch«, sagt er.
Julia spritzt ihn nass. »Blödmann!«
Schaum klebt ihm am Top, rutscht auf seine Hose.
»Soll ich dir einen frisch gepressten Orangensaft machen – mit einem Schluck Sekt?«
»Wenn du auch einen mittrinkst.«
Koljas Augen strahlen wie die eines kleinen Jungen an Weihnachten. Er ist so niedlich, schüchtern, wie er da steht, noch angezogen. Er mustert sie. Sie spürt seinen Blick auf ihrem Gesicht, schließt die Augen, hört, wie Kolja in die Küche geht und die Getränke holt.
Gibt es eine schönere Farbe als Hellorange? Eisstückchen klingeln in den Gläsern. Er reicht ihr eins und hockt sich vor die Badewanne. Er hat sein Top ausgezogen. Kein einziges Härchen auf seinem nackten Oberkörper.
»Auf Jonas!«, sagt er. Sie stoßen an. Sie nimmt einen Schluck, macht die Augen wieder zu. Fruchtfleisch gleitet über ihre Zunge, sie zerbeißt ein paar Fasern.
»Kommst du nicht mit rein?«, fragt sie, ohne die Augen zu öffnen.
»Dann läuft das Wasser über.«
Sie fasst hinter sich, zieht den Stöpsel, es gluckert den Abfluss hinab. Langsam werden ihre Schultern kühl, kommen die Brüste zum Vorschein, mit einem Schleier aus Schaum. Als ihr Bauchnabel sichtbar wird, steckt sie den Stöpsel wieder ein und öffnet die Augen.
Kolja hat rote Wangen. Er trinkt sein Glas in einem Zug leer, stellt es ab und zieht die Jogginghose aus. Seine Unterhose wölbt sich. Der Gummizug oben dehnt sich schon. Kolja zieht sie sich mit zusammengekniffenen Knien aus und kommt ins Wasser, sein Schwanz ihm voraus wie eine Gallionsfigur. Julia hat ihre Beine angewinkelt, macht Kolja Platz. Im Nu steigt der Wasserspiegel, wächst wieder bis an ihre Schultern.
Kolja hat eine Gänsehaut, obwohl das Wasser warm ist. Er sitzt da, die Arme weit ausgebreitet, wie in einem Fernsehsessel. Sie streckt einen Fuß links, den anderen rechts neben ihn. Das Wasser ist milchig, liegt wie ein Sommerkleid über ihren Beinen, verdeckt die Haut. Wie von Geisterhand geht Musik an, Charly Wilson, My life as a duck. Ausgerechnet das Lied! Jonas konnte es auf der Gitarre spielen, und wenn er es gesungen hat, hat es sich genauso angehört wie Charly Wilson.
»Woher kommt plötzlich diese Musik?«
»Programmiert.« Er grinst. »Wunderschön, nicht wahr?«
Sie nickt, weiß, dass Kolja das Lied für sie spielt – und für Jonas. Es ist ihr Lied. Sie könnte heulen vor Freude, trinkt den Rest Sekt aus, stellt das Glas ab. »Kommst du an die Zigaretten?«
Kolja lehnt sich aus der Badewanne und fischt die Zigaretten aus dem Klamottenberg, angelt sich auch die Streichholzschachtel aus der Hosentasche. Sie ist plattgedrückt, es dauert, bis er eine Flamme hinbekommt, zündet zwei Zigaretten an, reicht eine an Julia weiter. Dann sitzen sie in der Badewanne und rauchen. Eine umgekippte gelbe Quietscheente wackelt, Schnabel nach unten, durch den geschmolzenen Schaum.
Julia schließt die Augen und lauscht der Musik. Jonas atmet ihr ins Ohr, es ist, als schliefe er neben ihr. Alles ist ruhig, gut. So gut war es schon lange nicht mehr. Jetzt kann es nur noch besser werden. Sie spürt Koljas Hüften an ihren Füßen, seinen Blick auf ihren Schultern. Sie ruscht ein bisschen höher, noch ein Stück, damit er was zu sehen bekommt. Wasser perlt von ihren Brüsten. Von den Spitzen rutschen Schaumflocken. Sie atmet Koljas Blick ein. Ja, so war das, mit Jonas, wenn er sie angeschaut hat, langsam, passiv – sie bestimmte, wann und wie es weiterging, sie war Schauspielerin und Regisseurin – das ist sie auch jetzt.
Jonas’ Atem in ihrem Haar.
»Schade, dass du nicht mehr in mich verknallt bist«, flüstert Julia und streicht mit der Hand ihren Arm hinauf.
»Es geht hier nicht um mich, Julia.«
Sie hat Tränen im Hals. Glückstränen.
»Jonas ist bei uns. Spürst du das nicht?«
Sie kann nur noch flüstern: »Doch.«
Kolja legt eine Hand auf Julias Fuß, streicht mit zwei Fingern um ihren Knöchel, tastet sich den Spann entlang, seitwärts zur Ferse, streicht mit zwei Fingern um den inneren Knöchel, das Bein hinauf, seitlich der Wade entlang, dann wieder zurück zum Fuß. Julia lehnt sich zurück, gibt sich seinem Fingerdruck hin, lässt sich den Fuß massieren, dann den anderen. Die Musik hat aufgehört. Der Wasserhahn tropft langsam, blubb … blubb … … blubb , beim dritten Tropfen
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