Je mehr ich dir gebe (German Edition)
tränenüberlaufenem Gesicht steht er vor ihr.
»Kolja, was soll das?«
»Ich liebe dich, Julia!« Er zittert. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich liebe!« Sie mag ihn nicht anfassen. Das ist nicht mehr romantisch, das ist nur noch erbärmlich. Julia will gehen. Kolja fleht sie an, noch zu bleiben. Er wischt sich die Augen, lächelt, wie ein kleines verrotztes Kind, das man getröstet hat. Alles ist wieder gut.
»Ich hab doch was für dich.«
Auf dem Nachtschrank liegt ein schwarzes Schächtelchen mit roter Schleife. Er hechtet über das Bett, nimmt die Schachtel, er ist so aufgeregt, es ihr zu geben, kann nicht abwarten, dass sie es aufmacht. Ihr ist aber nicht nach Auspacken, schon gar nicht so eine schwarze Schachtel.
»Bitte!«, fleht Kolja.
Sie kann ihm die Bitte nicht abschlagen, zieht an der Schleife, öffnet die Schachtel und zieht eine rosa Pumpflasche heraus. PLAY steht darauf und: Erotik Gleitgel .
»Ich wollte so gern …«, stammelt Kolja. »Du hast es doch auch gern, wenn ich dir einen Finger …« Er schaut sie erwartungsvoll an, sie hält das Gleitgel in der Hand. »… und da dachte ich, ich könnte mal …«
Sie kann nichts sagen.
»Du raubst mir alle Sinne, kleine Julia«, flüstert er. »Du bist vollkommen, ich kann einfach nicht genug von dir kriegen.« Seine Augen füllen sich wieder mit Tränen. »Ich möchte ganz tief in dir sein. Immer!«
Julia stellt die Flasche weg, zieht sich den Slip an.
»Es tut mir so leid wegen vorhin, aber ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Du bist so sexy. Den ganzen Abend habe ich an nichts anderes gedacht als …« Er guckt auf die Pumpflasche. Sie ist mit einer durchsichtigen Folie versiegelt. »Ich … ich könnte schon wieder«, flüstert er. Er berührt sie mit den Fingerspitzen am Hals, fährt langsam durch ihre Halsgrube, das Brustbein hinab. Sie ist wie gelähmt, schließt die Augen, spürt seinen Atem in ihrem Ohr; er hat jetzt ihre Brustspitzen erreicht.
»Denk an Jonas«, haucht er. »Jonas ist da.« Sie lässt den Kopf nach hinten fallen, an seine Schulter, fühlt sich ganz leicht, riecht den Rasierschaum, fühlt seine Haut, seine Hände, ja, jetzt ist er da. Jonas! So streichelt nur Jonas. Er hält sie auch fest, damit ihr nicht die Beine wegsacken.
Kolja schlüpft in die Hose, zieht sich das Hemd über, geht aus dem Zimmer.
»Ich mach uns einen Kaffee«, ruft er aus der Küche, seine Stimme wieder fröhlich. Wie schnell er seine Stimmung wechseln kann. Und das, obwohl sich Julia nicht hat erweichen lassen. Die Pumpflasche steht neben dem Bett, immer noch in Folie.
Julia zieht sich an, sucht nach einer Sicherheitsnadel in ihrer Tasche, dabei fallen die Wimperntusche und der Lipgloss heraus. Der Lipgloss rollt unter das Bett, sie bückt sich und schaut, wo er geblieben ist. Unter dem Bett sind jede Menge Wollmäuse. Kolja scheint schon länger nicht mehr gestaubsaugt zu haben. Der Lipgloss liegt neben einem Karton. Sieht aus, als ob das der Schuhkarton von den High Heels ist, die er ihr letztens geschenkt hat. Julia robbt weiter unter das Bett und fischt den Lipgloss aus den Staubflocken. Dann entdeckt sie eine Kladde auf dem Karton, ganz nah am Lattenrost. Die hat sie doch schon mal gesehen … Ihr Herz fängt an zu rasen, sie kriegt keine Luft mehr, so eingezwängt unter dem Bett. Sie zieht das Heft von dem Karton. Es ist grün. Jetzt weiß sie, was das ist: Jonas’ Tagebuch! Sie robbt zurück, stößt sich am Bettgestell den Kopf, sieht grüne Punkte. Mit einem Handgriff verstaut sie das Heft in ihrer Handtasche und steht auf, nach Luft schnappend. Da kommt Kolja zurück.
Julia zittert.
»Frierst du? Komm, wir trinken noch einen schönen Espresso.« Er fasst sie am Arm.
Julia zieht ihren Arm weg, will gehen. Sofort.
»Ich möchte nicht, dass du so gehst«, sagt er sanft mit Teddybärblick. »Willst du lieber einen Crémant? Ich habe noch einen im Kühlschrank, Crémant de Loire, Brut.«
»Nein. Danke. Ich möchte jetzt wirklich gehen«, sagt Julia. Und geht. Ganz einfach ist das; die Tür ist schon vor ihr. Sie macht sie auf und sagt auch noch Tschüss, läuft die Treppen hinab. Kolja kommt hinterher, fasst sie von hinten an die Schultern.
»Willst du wirklich nicht heute Nacht hierbleiben? Ich kann auch mit deiner Mutter sprechen. Sie erlaubt es bestimmt. Und dann bring ich dich morgen früh zur Schule.«
Sie kann seinen flehenden Blick nicht ertragen. »Nein«, sagt sie, »ich muss nach Hause.«
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