Je sueßer das Leben
kleinen Fläschchen in den Abfallkorb und hört zufrieden, wie sie klirren.
Julia wirft ihr eigenes Whiskeyfläschchen hinterher. »Livvy und ich reden nicht mehr miteinander. Seit Jahren nicht.«
»Wegen Josh?«
Julia nickt.
»Aber ihr standet euch einmal nah! Das war zwischen Albert und mir nie so.«
Julia zupft einen Faden von der Bettdecke. »Die Sache ist vertrackt, Hannah.«
Hannah widerspricht ihr nicht. »Sie vermisst dich bestimmt. Ich würde das jedenfalls tun.«
Julia lässt die Schultern hängen und seufzt. »Der Tod hat eine unbezwingbare Macht. Er ändert vieles«, sagt sie schlicht.
Hannah nickt, aber der Gedanke an Julias Schwester scheint sie traurig zu machen, und Julia möchte nicht, dass sie traurig ist wegen etwas Unabänderlichem. »Es ist, wie es ist, Hannah. Wahrscheinlich ist unser Verhältnis jetzt so wie das zwischen dir und Albert.«
»Herrje, ich hoffe um deinetwillen, dass es das nicht ist. Bääh!« Sie macht dazu ein so komisches Gesicht, dass die beiden Frauen grinsen müssen.
»Wie auch immer, du musst jedenfalls endlich wieder zu dir selbst finden, Hannah. Denk daran, wer du bist, und dann nähere dich dir in kleinen Schritten wieder an.«
»Nur in kleinen Schritten?«
»Hört sich mühsam an, stimmt, das weiß wohl niemand besser als ich.« Julia deutet mit dem Kopf auf die Fläschchen im Abfallkorb. »Für so was hast du jedenfalls zu viel Klasse. Du bist einfach kein richtiges Minibarmädchen, Hannah. Vergiss nicht, du hast einmal für die New Yorker Philharmoniker gespielt. Lass die anderen Mädchen sich mit Fusel um den Verstand trinken. Du solltest lieber den Zimmerservice bestellen.«
Hannah lächelt. »Zimmerservice. Ich bin mir sicher, dass sie Kaviar haben. Ich sollte meine Traurigkeit unter Beluga begraben. Schließlich habe ich mein Geld nicht für nichts gespart.«
»Genau.« Julia grinst.
Hannah geht zum Schreibtisch und blättert durch die dicke Ledermappe mit dem eingeprägten Hotellogo. »Hey!«, ruft sie. »Hier gibt es einen Bad-Sommelier!«
Von so etwas hat Julia noch nie gehört. »Was ist denn ein Bad-Sommelier?«
»Offenbar jemand, der dir auf deinem Zimmer ein Bad bereitet. Hör zu: Lassen Sie sich in die Wanne sinken, umweht von wohlriechenden Düften, die Ihre Sinne verführen und Ihnen Entspannung schenken. Sie werden sich wie neugeboren fühlen … « Sie sieht zu Julia. »Das könnte ich gut brauchen, mich wie neugeboren fühlen.«
»Dann hast du ja endlich eine Schwäche an dir gefunden. Wir bestellen den Zimmerservice, und ich sehe mir einen Film an, während dich der Bad-Sommelier umsorgt.«
»Einen Film?«, fragt Hannah und wirkt ein wenig besorgt. »Ist das nicht zu popelig? Vielleicht können wir für dich eine Massage oder Pediküre bestellen.«
Julia schüttelt den Kopf, sie hat die Fernbedienung bereits in der Hand. Gegen eine Massage oder Pediküre hätte sie zwar nichts einzuwenden, aber sie hat schon seit Jahren keinen Film mehr gesehen. Weder im Kino noch im Fernsehen oder sonstwo. Dabei ist es eine geheime Leidenschaft von ihr, die sie sich zu Hause nur nicht zugesteht – nicht zugestehen konnte. Sie wählt eine Komödie, etwas Lustiges, für eine Tragödie ist sie noch nicht bereit – davon hat sie selbst genug erlebt. Und wenn sie nach dem einen Film noch nicht müde sein sollte, dann sieht sie sich eben noch einen an. »Ehrlich, ich kann mir nichts vorstellen, was ich lieber täte.«
A. A. Gilliland, 58
Besitzer von Bike Me!
»Hey, Doppel-A! Wie wär’s? Drehst du ’ne Runde mit?« Auf dem Parkplatz warten drei Männer mit chromblitzenden Motorrädern auf ihn, lassen den Motor aufheulen.
A. A. schüttelt den Kopf, wie jeden Samstag, wenn er den Laden schließt. »Keinen Bock, fahrt nur los.« Sie ziehen ihn auf und reißen ein paar Witzchen über ihn, bis ihnen langweilig wird. Dann nicken sie ihm zum Abschied zu und fahren knatternd vom Parkplatz, was ihnen böse Blicke von den Passanten einbringt, die durch die kurze Fußgängerzone von Avalon spazieren.
Klar, die Männer wirken wie echte Rowdys mit den um den Kopf gebundenen Bandanas, den Tätowierungen und der unverzichtbaren schwarzen Lederkluft, aber A. A. weiß es besser. Der eine, Bill, ist Buchhalter. Der andere betreibt eine kleine Swimmingpool-Reinigungsfirma. Der dritte hat geerbt und wurde erst von seiner Exfrau, einer Tänzerin, mit der Leidenschaft für Motorräder angesteckt. Sie können eine Nockenwelle nicht von einem Bremsklotz
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