Je sueßer das Leben
Süßigkeiten verkaufen will? Hannah ist fast dreißig! Sie weiß, dass sie dank ihrer asiatischen Herkunft jung aussieht, aber trotzdem. Hannah muss sich sehr zusammenreißen, um keine Grimasse zu schneiden, während sie die Sache mit dem Freundschaftsbrot erklärt.
Dann ist Joseph Sokolowski dran, ein Teilzeit-Automechaniker, dessen Flurwände mit alten, auf Hochglanz polierten Radkappen und Autokennzeichen gepflastert sind. Freundlich bittet er sie herein und bereitet ihr ein Tässchen Espresso zu, das leicht nach Klärschlamm schmeckt.
Die Frau in dem Haus daneben lehnt den Teig ab, bevor Hannah auch nur Gelegenheit hat, zu erklären, was es damit auf sich hat. Der letzte Nachbar, ein Afroamerikaner namens Henry Tinklenberg, hat bis vor kurzem bei United Airlines im Gepäckdienst gearbeitet. Um seine Augen bilden sich Lachfältchen, während er überlegt, was er mit dem Teig anstellen könnte, bis ihm einfällt, dass seine Enkel ja nächste Woche zu Besuch kommen.
Zurück zu Hause zuckt Hannah nur mit der Achsel, als sie den Anrufbeantworter blinken sieht. Sie drückt einfach auf Löschen, dann fängt sie an, das Haus vom Dachgeschoss bis zum Keller zu putzen. Als sie fertig ist, riecht das ganze Haus nach Zitrone. Die Nachmittagssonne fällt durch die Fenster, und Hannah ist bereit aufzubrechen, ohne auch nur die Spur müde zu sein.
In der Tür des Teesalons hängt das »Geschlossen«-Schild, als sie dort eintrifft, aber die Tür ist nicht verriegelt. Sie klopft kurz an, dann tritt sie ein und ruft Madelines Namen. Madeline kommt aus der Küche und trocknet sich die Hände an einem Geschirrtuch.
»Hannah!«, ruft sie und umarmt sie. »Ich bin fast fertig. Nur noch ein paar Handgriffe – dauert nicht länger als eine Minute.«
»Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagt Hannah, und Madeline nimmt das Angebot gerne an. Sie folgt ihr in die Küche, in der ein großer Topf auf dem Herd steht. Sie wäscht sich die Hände, während Madeline ihr eine Schürze heraussucht.
»Halbieren und vierteln Sie die bitte«, sagte Madeline und reicht Hannah ein paar gelbe Zwiebeln. »Dann schneiden Sie sie noch mal durch. Sie sollen etwa einen Zentimeter dick sein. Nehmen Sie sich ein Messer aus dem Messerblock.«
»Äh …« Hannah starrt auf die Zwiebeln. Quer oder längs einen Zentimeter dick? Sie entfernt die papierne Schale, dann zögert sie.
Madeline gießt großzügig Olivenöl in den Topf, dann nimmt sie sich ebenfalls eine Zwiebel und ein Messer. »So ungefähr.« Sie schneidet sie längs durch. »Wenn man sie einmal in der Mitte durchgeschnitten hat, kann man sie viel leichter schälen. Die Wurzel lässt man dran, die hält die Zwiebel zusammen, während man sie schneidet.«
Hannah folgt Madelines Anweisungen und legt die Zwiebelhälften mit der Schnittfläche nach unten auf ein Holzbrett. Sie entfernt die Spitze, dann schneidet sie sie in dicke Scheiben. Madeline zeigt Hannah, wie man die Finger über der Zwiebel krümmt, damit das Messer an den Knöcheln entlangfährt und man sich nicht schneidet.
Mit einem Blick auf die Uhr wirft Madeline die Zwiebeln in den Topf und lässt Hannah den Rest schneiden. »Ich hoffe, dass Julia es schafft«, sagt Madeline. Sie nimmt ein Stück Butter und gibt sie zu den Zwiebeln dazu.
Das hofft Hannah auch. Obwohl Julia einige Jahre älter ist, behandelt sie Hannah keineswegs so, als wüsste sie alles besser. Sie hat Julia insgeheim sogar schon eine Kurzwahltaste an ihrem Telefon zugeordnet – Madeline auch –, aber das würde sie ihnen niemals verraten, weil es etwas voreilig aussähe, als hätte sie es nötig. »Was wird das?«, fragt sie.
»Das Tagesgericht für morgen: französische Zwiebelsuppe mit Gruyère-Croutons.« Madeline rührt die Zwiebeln um und salzt sie kräftig. »Das schieben wir gleich in den Ofen, damit die Zwiebeln braun werden können. Ich glaube, Sie haben genug geschnitten. Kommen Sie, wir gehen ins Wohnzimmer und trinken unseren Tee.«
Das Wohnzimmer mit Aussicht auf den Garten gehört zum Privatbereich von Madeline. »Wie schön«, ruft Hannah, als sie durch das große Erkerfenster in den Garten blickt. Er ist genau wie ihrer immer noch winterlich kahl, aber viel größer.
»Er ist riesig, viertausend Quadratmeter.« Madeline sieht ebenfalls hinaus. »Ich habe ihn leider etwas vernachlässigt. Letztes Jahr war er wirklich wunderschön, aber man muss eine Menge Geld reinstecken, das ich im Moment einfach nicht habe. Die früheren Eigentümer haben ihn
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