Jeder Hund kann gehorchen lernen
und führt ihn anschließend auf Zeichen an der Leine herein. Und dann wird gebellt!«
»Kein Problem«, denke ich und positioniere Alice unter dem Tisch. Hugos Frauchen soll die Komparsenrolle übernehmen und macht sich schon auf den Weg nach draußen, doch plötzlich stürmt die Regieassistentin auf mich zu.
»Nein, nicht der kleine, der große Hund soll unter den Tisch.« So wolle es der Regisseur.
Ich erwidere, dass die Konstellation genau andersrum geplant gewesen sei: kleiner Hund liegt unterm Tisch und bellt, wenn großer Hund vorbeikommt. Ich zeige ihr das entsprechende Auftragsfax, sie spricht mit dem Regisseur, doch der besteht auf seiner Version. Großer Hund unterm Tisch bellt, wenn kleiner Hund vorbeikommt. Diskussion zwecklos.
Nun bekomme ich doch ein wenig Muffensausen. Ein schlecht gelaunter Regisseur, der unter Zeitdruck steht, und zwei Hunde, die ich genau auf die entgegengesetzte Szene vorbereitet habe. Und drum herum ein Team, das erwartet, der Filmtiertrainer möge nun gefälligst seinen Job machen und das irgendwie hinbiegen. Zwei Dinge sind mir klar: Wenn jetzt etwas schiefläuft, bekommt der Regisseur noch schlechtere Laune … und ich hätte bei dieser Produktionsfirma in Zukunft schlechte Karten. Wie also kann ich Hugo dazu bringen zu bellen? Wird mir der Regisseur wenigstens zehn bis 15 Minuten Zeit geben, um die neue Konstellation zu proben? Denn im Vergleich zu Alice ist Hugos Repertoire auf ein paar Kleinigkeiten begrenzt – und »Bellen auf Sichtzeichen« gehört in jedem Fall nicht dazu. Schließlich habe ich Hugo als den Hund gecastet, der entspannt durchs Bild läuft, und nicht als denjenigen, der auf Kommando bellt.
Ich überlege fieberhaft hin und her, immerhin gilt es nach dem Katzen-Debakel vom Vortag auch die Ehre meines Berufsstandes wiederherzustellen. Dann kommt mir der rettende Einfall: Hugo ist ein dominanter und damit tendenziell futterneidischer Hund. Andere Hunde lässt er nur ungern in die Nähe seines Fressens. Wenn es um die »Wurst« geht, wird er sicher entsprechend reagieren.
Ich frage den Regisseur, ob es ein Problem sei, wenn neben dem großen Hund auch eine Handtasche unter dem Tisch stünde. Ist es nicht. Und so platziere ich Hugo mitsamt Frauchen unter bzw. am Tisch. Dann besorge ich mir eine Scheibe Schinken beim Caterer. Nun muss Hugo nur noch auf seinen Auftritt vorbereitet werden. Ich lege die Schinkenscheibe neben ihm auf den Boden und briefe seine Besitzerin: Sobald Hugo an den Schinken ran will, soll sie ihm das mit einem klaren »Nein!« verbieten, unterstützt durch einen kurzen Leinenruck.
Und los geht‘s: Hugo will ran – »Nein!« plus Leinenruck. Hugo will noch mal ran – wieder »Nein!« plus Leinenruck. Der erste Schritt ist gelungen, Hugo hat erkannt, dass er nicht an den Schinken darf. Aber er ist immer noch megascharf auf das deftige Stück. Gut so, denn genau darauf beruht mein Plan. Könnte er sprechen, würde er vermutlich schimpfen: »Verdammt, ich darf da nicht ran, ich darf da nicht ran«, ich will da aber ran!‹ Und natürlich fixiert er die »Beute«, als handele es sich um ein Festessen und nicht um eine einfache Scheibe Schinken. Nun folgt Schritt zwei: Ich stelle die Handtasche auf die Schinkenscheibe. Und zwar so, dass noch ein kleines Stück herausguckt, das nicht im Blickfeld der Kamera liegt, wohl aber in dem des Hundes. Damit sind die Vorbereitungen abgeschlossen. Der eigentliche Dreh kann beginnen. Die Crew hat mich beobachtet, die meisten haben die Umstellung von »kleiner Beller« auf »großer Beller« gar nicht mitbekommen und denken wohl, dass ich meine üblichen Vorbereitungen treffe. Ich erkläre Hugos Frauchen, dass ich die ursprünglich ihr zugedachte Komparsenrolle übernehmen werde, dafür sitzt sie nun gemeinsam mit Hugo am Tisch. »Gleich werde ich mit Alice an dir vorbeigehen«, erkläre ich weiter, »sofort wird Hugo hochspringen und bellen, also erschrick nicht!« Proben kann ich die Szene nicht, sie muss beim ersten Mal sitzen. Alice würde sich weigern, ein weiteres Mal an »Beuteverteidiger« Hugo vorbeizulaufen.
»Und bitte!«, gibt die Regie das Startsignal für die neue Darsteller-Konstellation: Ich nehme die kleine Alice an die Leine und betrete mit ihr die Cafeteria. Währenddessen wartet der große Hugo unter dem Tisch; am Nachbartisch sitzen die beiden Schauspielerinnen und unterhalten sich. Ich führe Alice möglichst nahe an »Hugos Tisch« vorbei. Hugo ist immer noch auf seine
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