Jeder Hund kann gehorchen lernen
ist er schon reif für so einen A uftrag? Er beherrscht zwar diverse Tricks, ist a ber noch lange nicht » top « trainiert und hat bisher keinerlei Erfahrung a ls Filmdarsteller oder Model. A ndererseits bleiben noch drei Wochen Zeit zur Vorbereitung, und ich traue Gysmo den Job zu. Die A gentur erhält mehrere Bewerbungsfotos, die A uftraggeber sind begeistert. A lso wird Gysmo » Cover-Dog « einer Videorekorder-Werbung.
Der Prospekt erzählt in Bild und Text eine kleine Geschichte, um die Vorzüge der neuen Technik anzupreisen – eine Geschichte aus Hundeperspektive: »Es klingelte. Ich rannte zur Tür, es roch aufregend anders. Die neue Nachbarin! Mein Mensch benahm sich so merkwürdig …« Kurz und knapp zusammengefasst: Die Nachbarin bittet Gysmos Herrchen, den Film Legenden der Leidenschaft aufzuzeichnen. Es bleibt nur noch eine Stunde Zeit, doch dummerweise gibt der Videorecorder genau in diesem Moment seinen Geist auf. Gemeinsam mit Gysmo schwingt sich Herrchen auf den Motorroller, um Ersatz zu besorgen. O-Ton Gysmo, dessen Name – wie bei vielen seiner Auftritte – im Prospekt übernommen wird: »Wie die geflügelten Höllenhunde rasten wir in die Stadt.« Und natürlich klappt es dann sowohl mit der Videoaufnahme von Legenden der Leidenschaft als auch mit der Annäherung zwischen Gysmos Herrchen und der neuen Nachbarin.
Was Newcomer-Model Gysmo bei seinem ersten Job zu tun hat? In Szene eins muss er eine Fernsehzeitschrift im Maul festhalten, um seinem Herrchen zu zeigen, wann und auf welchem Kanal Legenden der Leidenschaft gezeigt wird. (O-Ton im Prospekt: »Ich checkte schon mal das Programmheft.«) Wie ich ihn vor der A ufnahme dazu bringe? Ich wedele mit der Zeitschrift vor seinem Gesicht herum, damit er Interesse entwickelt. So ist es fast logisch, dass er nach ihr schnappt und sie im Mund halten will. Während er sie festhält, lobte und streichele ich ihn. Nach einigen Sekunden lasse ich die Zeitschrift los, in der Hoffnung, dass er sie nicht fallen lässt. Das klappt recht schnell, der Fotograf drückt auf den Auslöser, die Szene ist im Kasten, und Gysmo erhält zur Belohnung ein Leckerchen.
Irrtum Nr. 23:
»Ich lasse meinen Hund nach versteckten Leckerchen suchen, um ihn körperlich und geistig zu beschäftigen.«
Falsch! Auch wenn dieses Spielchen von vielen Hundeschulen empfohlen wird, rate ich davon ab – ganz besonders draußen. Der Grund: Die negativen Begleiterscheinungen überwiegen. Wer als Rudelführer zu oft die »Beute« freigibt, gefährdet seinen Status. Und wenn ein Hund immer animiert wird, im Gras oder im Gebüsch nach Leckerchen zu suchen, zieht er irgendwann den Schluss: Alles, was ich auf dem Boden finde, gehört mir und darf bzw. soll gefressen werden. Und schon haben Sie einen Hund, der beim Gassigehen ständig nach Döner-Resten oder verschimmelten Pausenbrötchen schielt.
In Szene zwei steht Gysmo mit seinem Herrchen am Schaufenster eines Elektro-Fachgeschäfts. Die Schwierigkeit für Gysmo: Er muss gemeinsam mit einer fremden Person (dem Herrchen-Darsteller) agieren und mit den Vorderpfoten auf einen Vorsprung am unteren Rand der Schaufensterscheibe springen, sodass es aussieht, als wolle er einen kritischen Blick auf die Videorekorder in der Auslage werfen. Für diese Aufgabe nutze ich den Futtertrieb und tue so, als würde ich auf dem Vorsprung ein Leckerchen verstecken. Die genaue Position spreche ich mit dem Fotografen ab. Dann gehen Herrchen und Hund in Stellung.Als Gysmo sieht, wie ich mich an dem Vorsprung zu schaffen mache, sagt ihm seine Filmhundundeerfahrung: »Aha, jetzt versteckt der Rudelführer wieder was.«
Ich gehe aus dem Bild. Noch sitzt Gysmo, ist aber bereits auf den Vorsprung fixiert. Dann erfolgt ein Kommando, das ich mit Gysmo vorher geübt habe: »Such! … Wo ist das Leckerchen?« Gysmo springt auf, stützt sich mit den Pfoten am Schaufenstervorsprung ab, steht auf zwei Beinen, schnüffelt nach der »Beute«. Der Fotograf macht seine Fotos. Wir spielen das Ganze dreimal durch, dann hat er Gysmo perfekt erwischt: ein vierbeiniger »Videorekorder-Freak«, der gemeinsam mit seinem Zweibeiner die technischen Innovationen bestaunt. Klar, dass Gysmo nach erfolgreicher Arbeit endlich sein Leckerchen bekommt. Auch hier handelt es sich um eine Positivdressur, daher ist das Leckerchen erlaubt. Für den Alltag von Otto Normalhund ist die Übung jedoch nicht geeignet, sonst würde er danach bei Stadt-Spaziergängen an jeder Ecke nach
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