Jeier, Thomas
Steinzeit. Sie lebten in Gruben und Höhlen, notdürftig durch Steine und Strauchwerk geschützt, und zogen als Jäger und Sammler durch das Land. Ihre Verwandten, die Mogollon, lebten in den Bergen, die später ihren Namen bekommen sollten. Die Hohokam, die erst 300 nach Christus gekommen waren, siedelten in den Tälern des Gila und Salt River. Die Anasazi, deren Name aus der Navajo-Sprache stammt und »die Alten« bedeutet, ließen sich auf den Mesas in der heutigen Four Corners Area nieder, dort wo die Staaten Arizona, New Mexico, Utah und Colorado zusammentreffen.
In jenem trockenen Felsenland arrangierten sich die Anasazi mit der widerspenstigen Natur. Weil Wasser das höchste Gut war, siedelten sie im Einzugsgebiet des San Juan Rivers und auf den Tafelbergen, wo sie das Regenwasser während der oftmals heftigen Gewitter leichter auffangen konnten. Schon früh legten sie Kanäle zum Bewässern ihrer Felder an. Waren sie während der ersten Jahrhunderte noch auf die Jagd kleinerer Tiere und auf das Sammeln von Nüssen und Beeren angewiesen, ermöglichte der Mais, den sie vermutlich von Händlern aus Mittelamerika bezogen, größere Felder anzulegen und überwiegend von der Landwirtschaft zu leben. Auch Bohnen und Squash pflanzten sie an. Wegen ihrer Fähigkeit, kunstvolle und zum Teil wasserdichte Körbe anzufertigen, werden diese präkolumbianischen Anasazi der »Basketmaker-Periode« (der Korbmacher-Periode) zugerechnet. Ab 600 nach Christus lebten sie in oberirdisch errichteten. Wohnstätten, einfachen Hütten aus Strauchwerk und Lehm. Tiefer gelegene Eingänge führten in die kreisrunden Räume, »Kivas« genannt, die späteren Generationen als Zeremonienräume dienten. Die Anasazi domestizierten den Truthahn, das einzige Haustier in ihren Dörfern, gingen nur noch gelegentlich auf die Jagd und wurden sesshafte Bauern.
Den Aufstieg zur Hochkultur schafften die Anasazi während der »Pueblo-Periode«, die ab 750 nach Christus begann. Während die Indianervölker im nördlichen Teil von Nordamerika und an der Ostküste noch in der Steinzeit verharrten, begann für die Anasazi ein »goldenes Zeitalter«, das wohl vor allem dem ständigen Austausch mit anderen Völkern zu verdanken war. Überall waren Händler unterwegs, meist rastlose Einzelgänger, die von einem Stamm zum anderen zogen und vom Verkauf ihrer Waren lebten. Wie sonst könnte man erklären, dass selbst Indianer, die weitab der Küste lebten, in den Besitz von Muscheln und getrockneten Seesternen kamen? Warum sonst fanden sich dekorative Muster der Küstenstämme bei Indianern der Großen Ebenen wieder? Wie sonst hätten die Anasazi innerhalb eines Zeitraums von wenigen Jahrhunderten ihre einfachen Speere und Schleudern durch Pfeil und Bogen und ihre schlichten Körbe durch kunstvolle Tongefäße ersetzen können?
Das bedeutendste Merkmal ihres kulturellen Wandels aber war die Baukunst. Aus Sandstein und unter Verwendung stabilisierender Balken, errichteten sie imposante Pueblos. die mehrere Stockwerke in den Himmel ragten und als erste »Apartmentgebäude« in die Geschichte eingingen. Die Dächer aus Adobelehm sorgten im Sommer für angenehme Kühle, während sie im Winter Wärme speicherten. Leitern führten in die zum Teil mit Fenstern versehenen Räume. Wie gewaltige Burgen ragten einige dieser mehrstöckigen Paläste, die ungefähr um 1000 nach Christus entstanden, zwischen den Canyonwänden am San Juan River empor. In späteren Jahren erweiterten die Anasazi ihre Bauten und Plazas zu großen Städten und legten breite Straßen an, die einige ihrer Handelszentren miteinander verbanden. Bis heute erinnern auf Mesa Verde und im Chaco Canyon die Ruinen dieser gewaltigen Komplexe an die Hochkultur der Anasazi.
Die unterirdischen Kivas waren für rituelle Handlungen reserviert. In den Boden jedes Zeremonienraums war ein Loch eingelassen, das an den sogenannten »Sipapu« erinnerte, durch den die ersten Menschen aus der Erde gekommen waren. So berichtet die Schöpfungsgeschichte der Anasazi, ihre Vorfahren seien ehedem aus der Erde gekrochen. Am Feuer, das geisterhafte Schatte n auf die Felswände warf, fühlten sich die Schamanen den Geistern nahe. Sie beteten und meditierten, erzählten Geschichten und sangen Lieder. Ihre Abhängigkeit von den Naturgewalten ließ sie zu besonders gläubigen Menschen werden, die regelmäßig um gute Ernten beteten.
Die ältesten und am besten erhaltenen Ruinen findet man heute noch auf dem langgestreckten
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