Jeier, Thomas
gehängt. Obwohl Historiker mittlerweile zweifelsfrei bewiesen haben, dass auch die hetzerischen Parolen von Kirchenführer Brigham Young zu dem Massaker beigetragen haben, wehren sich die Heiligen der Letzten Tage bis heute gegen diese Darstellung. Man schiebt die Verantwortung einer kleinen Gruppe von Mormonen in die Schuhe, die ohne direkten Befehl der Kirchenführer gehandelt hätten. Sogar einen Gedenkstein hat man am Ort des Massakers aufgestellt. Auf eine Entschuldigung mussten die Angehörigen der getöteten Siedlerfamilien jedoch bis 2007 warten, dem 150. Jahrestag des Massakers.
Brigham Young strebte mit seinen Mormonen, der Kirche der Heiligen der Letzten Tage, nach einem Gottesstaat, der keine andere Glaubensrichtung und keine fremde Meinung duldete und jede Einmischung von außen als Kriegserklärung ansah. Im Mai 1857, nur wenige Monate vor dem Mountain Meadows Massaker, marschierten Soldaten der US-Armee in Utah ein, um Brigham Young als Gouverneur des Staates abzusetzen und durch einen Andersgläubigen zu ersetzen. Präsident James Buchanan befürchtete, die Mormonen könnten sich von den Vereinigten Staaten abspalten und einen eigenen Staat gründen. Bei den Mormonen löste das Erscheinen der US-Armee eine wahre Kriegshysterie aus, man hortete Getreide und andere Vorräte, um im »Utah War« überleben zu können, und Brigham Young wies die verbündeten Paiute-Indianer an, Wagenzüge zu überfallen und so viel Vieh wie möglich zu stehlen. Die Mormonen, die 1838 aus Missouri vertrieben worden waren, hatten Angst, es würde zu einer erneuten Verfolgung und Vertreibung kommen.
Tatsächlich war das Ansehen der Mormonen in der amerikanischen Öffentlichkeit nicht besonders groß. Man hatte Angst, der selbsternannte Kirchenstaat würde amerikanische Prinzipien wie die Freiheit des Einzelnen verletzen, vor allem die von einem Großteil der Mormonen praktizierte Vielehe verurteilte man als gotteslästerlichen Akt. Dennoch verlief der Utah War eher unblutig. Obwohl Brigham Young als Gouverneur abtreten musste, wirkte er noch jahrelang im Stillen weiter. Erst mit der Ernennung Utahs zum 45. Staat der Union endete das politische Regiment der Kirche der Heiligen der Letzten Tage, deren Einfluss allerdings auch heute noch zu spüren ist.
Krieg gegen Frauen und Kinder
Abgesehen von den wohl berüchtigtsten Massakern der US-Armee am Washita, Sand Creek und Wounded Knee, die wegen ihrer politischen Bedeutung und der kontroversen Betrachtung in der Presse eine ausführliche Betrachtung in einem eigenen Kapitel verdienen, war das Camp Grant Massaker ein Beispiel dafür, wie machtlos ein von humanitären Idealen geprägter Offizier während der Apachen-Kriege gegen die Sturheit seiner Vorgesetzten und gegen die Rachsucht eines aufgebrachten Pöbels sein konnte. Neben den Irokesen und Sioux waren die Apachen erbitterte Feinde der amerikanischen Armee. Von ihrer rauen Umgebung in den Wüstengebieten des amerikanischen Südwestens geprägt, hielten sie das Land an der mexikanischen Grenze über 30 Jahre lang in Atem. Sie führten einen Guerilla-Krieg gegen die Soldaten, tauchten immer dort auf, wo man sie am wenigsten erwartete, und widerstanden selbst einer erdrückenden Übermacht. Erst der Schachzug der Amerikaner, abtrünnige Apachen als Kundschafter einzusetzen, führte zur Unterwerfung von legendären Anführern wie Geronimo.
Die Wut der Apachen war verständlich. Weiße Siedler, Goldgräber und Abenteurer waren jahrelang mit äußerster Brutalität gegen sie vorgegangen. Die mexikanische und später auch die amerikanische Regierung hatten Preisgelder auf Apachen-Skalps ausgesetzt. Um 1870 war das beiderseitige Verhältnis so hasserfüllt, dass eine friedliche Lösung kaum noch denkbar schien. First Lieutenant Royal Emerson Whitman, der Kommandant des abgelegenen Camp Grant im südöstlichen Arizona, gehörte zu den wenigen Männern an der Grenze, die an einen dauerhaften Frieden mit den Apachen glaubten. Er hatte die Aufgabe, zwischen Indianern, Militär und Siedlern zu vermitteln und gestattete ungefähr 150 Aravaipa-Indianern unter ihrem Anführer Eskiminzin in der Nähe des Militärstützpunkts zu siedeln. Er war nicht befugt, einen Friedensvertrag mit den Aravaipa zu schließen, leitete die militärisch erzwungene Kapitulation der Indianer aber an den Kommandanten des Departments, General George Stoneman weiter, und gestattete ihnen, ihr Heu an weiße Rancher zu verkaufen. Die Krieger wurden nicht
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