Jeier, Thomas
brauchte.
Nur die wenigen Weißen, die länger unter ihnen lebten, wussten um das Selbstbewusstsein der Frauen und ihren hohen Stellenwert innerhalb der Stammesgemeinschaften. Bei den Cheyenne bestimmten sie über ihren Körper selbst. Sie konnten nicht gegen ihren Willen verheiratet werden, noch durfte ihr Ernährer sie zwingen, Kinder zu gebären. Das Tipi und der gesamte Haushalt gehörte den Frauen. Eine Scheidung, im heutigen Sinne, gab es nicht. Wollte sich eine Frau von ihrem Mann trennen, genügte es, wenn sie ihn aus dem Tipi verwies. Selbst wenn der Mann sie verstieß, durfte sie ihren gesamten Besitz behalten.
Von Mary Jemison, einer weißen Frau, die als Kind von den Irokesen adoptiert wurde und ihr restliches Leben bei ihnen verbrachte, wird überliefert, dass die Frauen die Arbeit zu mehreren ausführten: »Um ihre Arbeit zu verrichten und gleichzeitig in Gesellschaft anderer Frauen zu sein, arbeiteten sie gemeinsam auf einem Feld.« Eine meist ältere Frau führte die Aufsicht und organisierte die Arbeit. Obwohl Stammesangehörige ihre Eltern umgebracht hatten, blieb Mary Jemison auch dann bei den Irokesen, als weiße Soldaten auftauchten und sie das Dorf hätte verlassen können. »Auch bei den Weißen hätte ich von morgens bis abends auf dem Acker arbeiten müssen«, erkannte sie nüchtern, »bei den Irokesen lebten meine Verwandten, mein Mann und meine Kinder.«
Auch bei anderen Ackerbau treibenden Stämmen wog die Stimme der Frauen mehr als bei ihren Geschlechtsgenossinnen in den Dörfern der Weißen. Bei den Mandan, die am oberen Missouri lebten, trugen sie mit ihrer Feldarbeit entscheidend zum Lebensunterhalt bei, mehr als die Krieger, die nur sporadisch auf die Jagd gingen. Die Felder, die Gärten, die Häuser und der gesamte Hausrat gehörten ihnen. Entsprechend hoch war ihre soziale Stellung, entsprechend standen sie auch bei zahlreichen Zeremonien im Mittelpunkt. Ähnlich waren die Besitzverhältnisse bei den Hopis im Südwesten, obwohl dort auch die Männer auf den Feldern arbeiteten. Die Männer waren verpflichtet, das geerntete Gemüse den Frauen zu übergeben, die für die Verteilung verantwortlich waren. Mit harter und schweißtreibender Arbeit bezahlten die Frauen für ihre Privilegien. Bevor ein Hopi-Mädchen die Erlaubnis zum Heiraten bekam, musste sie eine große Menge Mais in einem Mörser zerstampfen, um öffentlich zu demonstrieren, dass sie den Anforderungen einer Ehe gewachsen war. Bei den Navajos im heutigen Arizona gehörten den Frauen die als Hogans bekannten Wohnstätten, der Hausrat und die Schafherden; auch hier teilten sich Männer und Frauen die Arbeit. Die Ojibway-Frauen im Gebiet der Großen Seen kontrollierten die riesigen Reissümpfe, die Felder und die Ahornbäume, die ihr Volk mit Sirup versorgten.
Ähnlich wie bei den Stämmen der weiten Ebenen war die Arbeitsteilung bei den Apachen. Von den Frauen erwartete man, dass sie sich um ihre Aufgaben kümmerten und die Männer gingen auf die Jagd, in den Wüstengebieten des amerikanischen Südwestens ein wesentlich schwierigeres Unterfangen als auf den Plains und in den Ausläufern der Rocky Mountains. Dennoch hatten die Männer nicht das alleinige Sagen. »Wenn wir heiraten, ziehen wir in das Lager der Brauteltern«, erklärte ein Apache, »Wir tun dies, weil Frauen wertvoller als Männer sind.« jeder Krieger war verpflichtet, die Verwandten seiner Frau mit Fleisch zu versorgen und alles zu tun, um ihr Wohlergehen zu sichern. Entgegen der klischeehaften Vorstellung, kriegerische Apachen hätten nur den Krieg gegen die Weißen im Kopf gehabt und sich wenig um Frauen und Kinder gekümmert, entbehrte jeder Wirklichkeit.
Wie anstrengend die Arbeit der Frauen auf den Plains war, schildert George B. Grinnell, der um 1920 lange bei den Cheyenne lebte und sie besser als jeder andere Weiße kannte. Seine Bücher sind heute noch unverzichtbare Standardwerke für jeden, der sich näher mit der Geschichte und Kultur dieses Volkes befasst. Er schrieb: »Zu den größeren Aufgaben der Frauen gehörte das Sammeln von Nahrung. Das war keine leichte Aufgabe. Rüben, ihr Lieblingsgemüse, mussten aus dem Erdreich gegraben, gekocht, zerschnitten und in der Sonne getrocknet werden. Dorniger war das Sammeln der Früchte, die aus den Prickley-Pear-Kakteen sprossen. Zuerst pflückten die Frauen diese Früchte und stopften sie in Parfleches. Später bürsteten sie die Dornen mit aus Zweigen gefertigten Besen weg. Nachdem sie
Weitere Kostenlose Bücher