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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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Buchdeckels gerächt, gesühnt oder mindestens aufgeklärt werden, solange lässt sich der Krimijunkie selbst das Ungustiöseste unterjubeln. Und welche Gegend würde sich besser als Schauplatz hiefür eignen als die ins Schummerlicht langer Winternächte getauchte skandinavische Landschaft? Nach dem zu urteilen, was Regina von ihrer Lektüre berichtet, sind vier Fünftel aller Krimis in der kalten Jahreszeit angesiedelt. Völlig überproportional, wie ich finde, vor allem, wenn man den Klimawandel bedenkt, die globale Erwärmung. Aber selbst das Schmelzwasser der Gletscher scheint nur weitere Hundertschaften von Winterkrimis ans diffuse Licht zu schwemmen.
    Was Kriminalromane betrifft, ist Regina gleich gestrickt wie ein guter Witzeerzähler. Zu jedem Thema, für jeden Typ weiß sie den passenden Titel. Für die Zeit in der Rehabilitationsklinik hat sie mir einen fünfhundert Seiten dicken Schmöker dagelassen.
    „ Zimmer Nr. 10 ? Was soll ich damit? Du weißt doch, was ich von Krimis halte!“
    „Nur für den Fall, dass du einmal deine Vorurteile überwindest.“
    Und weil die Story doch in einem Fitnessstudio spiele, müsse sie mich schon rein beruflich interessieren.
    Immerhin habe ich den Wälzer in den drei Wochen Reha bis zur Hälfte geschafft. Manche Sätze darin klangen vertraut, fast so, als hätte Regina, die große Werbestrategin, sie schon einmal an der Pinnwand des New Life affichiert:
    Ihr kommt hier mit Fettärschen herein und geht als Models wieder hinaus. Wir sind wie ihr gewesen, ihr werdet werden wie wir.
    Aber je länger ich darüber nachdachte, umso negativer empfand ich es, dieses Ihr werdet werden wie wir. Umso deprimierender.
    Es tönte wie das barocke Memento mori aus früheren Tagen.
    Regina muss bemerkt haben, dass meine Gedanken abgeschweift sind, aber sie nimmt darauf keine Rücksicht. Wenn sie sich einmal in ein Thema verbissen hat …
    „Könnte ja sein, dass sie noch was herausfinden“, insistiert sie. „Dass doch etwas auf den Videos zu sehen ist.“
    Ihre Sturheit kann einen in Rage bringen.
    „Ein Blitz, der in Reichert gefahren ist, während er auf dem verdammten Ergometer seine Runden gedreht hat, oder was? Ich sag dir, woran er gestorben ist: am Sesselfurzersyndrom. Die ganze Woche über null Bewegung, selbst für die paar Meter zum Zigarettenautomaten verwendet so einer die Limousine. Aber kaum hockt er auf dem Ergometer, wird mit dem Teufel um die Wette geradelt, noch dazu, wenn ihm eine attraktive Blondine dabei zuschaut. Ich hab’s immer gesagt: Sesselfurzersyndrom und männliches Imponiergehabe – eine tödliche Mischung. Kein Wunder, wenn da einer mal mit lächelndem Gesicht von der Maschine kippt.“
    „Jetzt wirst du zynisch, Edgar!“
    „Zynisch? Hast du mir nicht im Krankenhaus erzählt, dass der noble Herr auf die Pulskontrolle verzichtet hat? Dass er als ehemaliger Leistungssportler auch ganz ohne technischen Schnickschnack wisse, in welchem Frequenzbereich er sich bewege. Hat er das nun gesagt oder nicht?“
    „Stimmt schon. Aber Reichert war gar nicht so schlecht in Form, obwohl er Koronarpatient und schwerer Hypertoniker war. Gerade die sollten ja Ausdauer trainieren. Er musste nur regelmäßig seine Tabletten einnehmen, vor allem vor dem Training, damit sein Blutdruck nicht zu hoch wird. Und das hat er auch immer gewissenhaft gemacht, soweit wir wissen, auch an dem betreffenden Tag. Nicht wahr, Furat?“
    „Kann ich bestätigen. Reichert bat mich wie üblich um ein Glas Leitungswasser, ich habe es ihm gebracht und er hat damit seine Kapseln hinuntergespült, direkt vor meiner Nase. Keine zehn Minuten später fällt er vom Upright Bike. Tot, mausetot.“
    „Es ist auch schon bei Ausdauersportlern zu einem Plaqueriss gekommen. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es halt nicht.“
    „No na“, brumme ich, „bloß gut, dass ich das nicht mitansehen hab müssen.“
    „Aber du hast es doch mitangesehen!“ Furat schüttelt den Kopf. „Du hast dich noch unterhalten mit ihm, während ich dir einen großen Braunen heruntergelassen habe.“
    „Ich? Worüber?“
    „Keine Ahnung. Wie soll man etwas verstehen bei dem Lärm, den unsere Gaggia macht!“ Er nickt mit dem Kinn in Richtung Espressomaschine. „Vielleicht hast du ihn ja ermahnt, es nicht zu übertreiben. Davor hast du ihn jedenfalls früher schon mal gewarnt. Genau dort“ – Furat zeigt auf das linke Ende der Theke – „seid ihr zwei gestanden. Kannst dir ja die Videoaufzeichnung

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