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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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anschauen, da müsste alles drauf sein.“
    In meinem Hirn beginnt es wieder zu hämmern. Hämmern statt dämmern. Höchste Zeit, zu einem schnellen Ende zu kommen.
    „Mach ich bestimmt. Aber wo ist es eigentlich, dieses ominöse Video?“
    Regina zuckt die Schulter. „Wohin immer die Kripo es verschustert hat. Man kann doch keinen Monat brauchen für die Analyse.“
    „Ach du Scheiße“, stöhnt Furat, „darauf hab ich völlig vergessen!“
    Er schnappt sich einen Schlüsselbund, schwingt sich über die Theke wie ein Geräteturner über das Seitpferd und verschwindet nach draußen. Keiner weiß, was dieser Abgang soll. Zwei Minuten später ist er wieder zurück und überreicht mir ein dickes Kuvert.
    „Die Polizei hat die Bänder längst freigegeben. Ich kutschiere sie schon über eine Woche mit mir herum. Sorry!“
    Er öffnet den Klebeverschluss und zieht zwei Mini-DV-Kassetten heraus. Ich nehme sie ihm aus der Hand, zögere einen Moment, dann stecke ich sie in meine Sakko-tasche.
    „Danke. Ich werde sie mir zuhause anschauen.“
    Beim Aufstehen bemerke ich das rote Kästchen an der Wand.
    „Und was, bitte schön, ist das?“
    Alle Blicke richten sich auf Regina, als wäre es eine Frage der Etikette, der Chefin das Antworten zu überlassen.
    „Unser neuer Defibrillator. Absolut selbsterklärend, im wahrsten Sinn des Wortes: Das Gerät sagt dir jeden Handgriff an, man kann nichts falsch machen dabei. Zusätzlich hatten wir noch eine Einschulung durch einen Fachmann.“
    Furats massiger Brustkorb zuckt plötzlich hoch, von einem heftigen Spasmus erfasst. Lola stößt einen spitzen Schrei aus. Langsam sackt der Körper des Trainers wieder in sich zusammen, der Kopf klappt nach hinten, die Zunge hängt ihm aus dem Mund.
    „Mann, bist du blöd!“, schimpft Lola. Jetzt hat auch sie kapiert, dass er nur Theater spielt. Ziemlich überzeugend, zugegeben, wenn auch ein geschmackloses Stück.
    „Cool, Baby!“, grinst er. „Du musst lernen, der Realität ins Auge zu sehen.“
    Regina findet das gar nicht witzig. „In der Realität entscheidet dieser Koffer über Sein oder Nichtsein. Hätten wir ihn bloß früher angeschafft!“
    Der Vorwurf an meine Adresse ist unüberhörbar. Du bist es doch, dem alles zu teuer ist, du musst jeden Cent drei Mal umdrehen! Womöglich wäre dieser Reichert noch am Leben, wärst du nicht ein solch elender Knauser ...
    „Welche Kapseln musste Reichert eigentlich einnehmen?“ Die Frage ist natürlich ein plumpes Ablenkungsmanöver, was interessiert mich schon der Name des Medikaments.
    Furat hat sofort die Antwort parat.
    „Beta-Adalat heißt das Zeug, eine Kombination von Betablockern und Nifedipin. Reduziert die Herzschlagfrequenz und wirkt blutdrucksenkend. Aufgrund des Nifedipin-Anteils ist das Zeug noch wirksamer als normale Betablocker, die in Tablettenform verabreicht werden.“
    „Und woher weißt du das? Studiert der Herr seit neuestem Medizin?“
    „Ne, hab mich nur im Internet schlau gemacht. Und weißt du, was mir dabei aufgefallen ist?“
    „Sag schon!“
    „Als ich in Google Betablocker eingegeben habe, sind einige Adressen aufgetaucht, die schon vor mir jemand aufgerufen haben muss.“
    „Woher willst du das wissen?“
    Furats fröhliches Grinsen lässt befürchten, dass ich mich schon wieder blamiert habe. Zu Recht, wie sich gleich herausstellt.
    „Weil die Schrift violett war, nicht blau. Daran erkennst du, welche Website bereits einmal geöffnet wurde.“
    „Okay. Und was hat das jetzt für eine Bedeutung?“
    „Keine Ahnung. Ich fand es nur interessant, dass sich noch jemand in unserem Haus damit beschäftigt hat, welche Zusammensetzung Reicherts Medikamente aufweisen.“
    Ich mustere die Runde.
    Joy hat ihr übliches asiatisches Lächeln aufgesetzt, Lola bewundert den scheußlichen grellgrünen Lack auf ihren Fingernägeln, Susanne nestelt nervös an ihrer Halskette herum und Furat und Regina wechseln kryptische Blicke.
    Soll ich, oder soll ich nicht?
    Aber welchen Sinn hätte es, seine Mitarbeiter zu fragen, ob sie sich über blutdrucksenkende Mittel im Netz kundig gemacht haben? Gesetzt den Fall, jemand würde zugeben, den Firmen-PC dafür missbraucht zu haben – was würde es beweisen? Bin ich jetzt schon vom selben irrationalen Aufklärungsvirus befallen wie Regina? Wenn selbst die Kriminalpolizei nichts Verdächtiges gefunden hat, nach all den Befragungen, Untersuchungen und Laboranalysen …
    Wozu sollte ich, der blutige Laie, da lange

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