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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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die Entstehung des Koran. Der Prophet Mohammed war ja laut Al-Qualam, der 68. Sure, das Schreibrohr Allahs. Andererseits soll ihm der Erzengel Gabriel alles diktiert haben.“
    „Wieso andererseits?“
    Furat hüstelte. Rauchen passte definitiv nicht zu ihm.
    „Na ja, vielleicht ein ganz frühes Kommunikationsproblem. Gabriel könnte die ursprüngliche Botschaft Allahs an die Gläubigen ja in gewissen Punkten missverstanden haben. Falsch rübergebracht, verstehst du? Und je nachdem, in welcher Sprache Allah und Gabriel kommunizierten, könnte es sich bei manchen dunklen Passagen schlicht um ein Übersetzungsproblem handeln.“
    „Ziemlich ketzerisch, deine Gedanken“, meinte ich. „Was steht im Koran eigentlich über solche Zweifler wie dich?“
    „ Ich friste ihnen, aber wahrlich, mein Anschlag steht fest.“ Es klang ein bisschen pathetisch. Mir fielen jene nordamerikanischen Fernsehprediger ein, die auf diversen kirchlichen Kanälen neuerdings auch bei uns zu sehen sind. Ihr Pathos kennt keine Grenzen. Schon gar keine Schamgrenzen.
    „Not so good“, sagte Furat. Er betonte es genau wie der Fahrlehrer in der Budweiser-Werbung, wenn sein Fahrschüler den LKW in den Graben steuert, weil er hübschen Mädchen nachschaut, anstatt sich auf die Straße zu konzentrieren.
    Ich musste lachen. Nein, mit evangelikalen Fanatikern hatte der Türke nichts gemein.
    „Aber Anschlag kann ja vieles bedeuten“, setzte er fort. „An einer anderen Stelle heißt es in unserem Heiligen Buch: Alle, die an Allahs Wort zweifeln, sollen gebrandmarkt werden. Dasselbe droht auch denen, die so anmaßend sind, die sogenannten dunklen Verse des Koran zu interpretieren, obwohl die Deutung dieser Verse Allah allein zusteht. Sagen jedenfalls unsere Gelehrten. Für mich stellt sich allerdings die Frage: Wer bestimmt, welche Verse klar sind und welche dunkel? Und wieso sollte Allah selbst oder auf dem Umweg über den Erzengel Gabriel seinem Propheten eine Offenbarung in die Feder diktiert haben, die Verse enthält, welche von den Rechtgläubigen nicht gedeutet werden dürfen? Hat der Allerhöchste seiner eigenen Offenbarung misstraut?“
    An der Stelle hat das Glöckchen des Seminarleiters uns in den Sitzungsraum zurückgerufen, und wir sind nie wieder auf das Thema zu sprechen gekommen. Aber unser kurzes Gespräch hat mich schwer beeindruckt. Ich hätte nicht gedacht, dass es auch unter Muslimen Menschen gibt, die mit dem Koran ähnlich kritisch umgehen wie aufgeklärte Christen mit der Bibel. Falls, ja, falls man mit einer solchen Position überhaupt noch innerhalb der jeweiligen Glaubensgemeinschaft steht.
    Für mich stellt sich die Frage ohnehin nicht mehr. Ich bin längst meilenweit abgedriftet von jenem Schiff namens Kirche …
    *
    Heute schließt das New Life bereits um neunzehn Uhr. Zeit für die in unregelmäßigen Abständen stattfindende Teamsitzung, die erste nach meiner Rückkehr und erstmals wieder unter meiner Leitung. Regina hat wortlos den Platz am Kopfende des Tisches geräumt, als ich das Sitzungszimmer betrat.
    „Alsdann, meine Herrschaften. Was steht an?“
    Wahrscheinlich lachen sie hintenherum über meine verstaubte Ausdrucksweise. Herrschaften … Angesichts des deutlichen Überhangs an Frauen im Raum eigentlich ein klarer Fall von politischer Unkorrektheit, aber noch nie hat sich eine darüber mokiert. Vielleicht schätzen manche sogar meine Art. Keine Frage, Reginas Führungsstil ist weitaus effizienter als meiner. Ihr würde es nie einfallen, die Angestellten zu fragen, was ansteht – das gibt selbstverständlich sie, die Chefin, vor. Was ihre Beliebtheit im Team nicht eben steigert. Effizienz und Führungsstil … Beides wird von Chefität und Belegschaft mitunter recht unterschiedlich bewertet.
    Offenbar hatten sie im Team eine Art Vereinbarung getroffen: Kein Wort darüber in seiner Anwesenheit. Es ist Lola, die Jüngste im Team, die sich verplappert. Jedenfalls steht der Name Bell plötzlich im Raum und kein Industriestaubsauger dieser Welt könnte ihn zum Verschwinden bringen. Alle schweigen. Die einen aus Pietät, die anderen aus Peinlichkeit. Weil sie nicht den Mumm hatten, das Thema von sich aus aufs Tapet zu bringen.
    Also fange ich an, Fragen zu stellen: Wann genau die Leiche gefunden wurde; wer was unternommen hat; wie lange es dauerte, bis die Polizei vor Ort war. Nichts von Bedeutung, aber immerhin kommt der Redefluss wieder in Gang.
    „Und er war auf der Stelle tot?“
    „Laut Gerichtsmediziner,

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