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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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wir darauf, dass es sich lediglich um Anlaufschwierigkeiten handelt.
    Der Heimkehrerschock, habe ich gescherzt, als ich mich einmal statt auf dem Klo in der Speis wiederfand.
    Das andere Mal, noch peinlicher: als die heiße, schwarze Brühe alles überschwemmte. Regina brachte mir den Kaffee ans Bett, und ich glaubte die Tasse festzuhalten. Doch sie glitt mir einfach durch die Finger. Als hätte meine Haut keine Haftung mehr. Oder habe ich vergessen, die Hand zu schließen? Doch seit wann muss man daran denken? Widerlich! Nicht so sehr die Sauerei auf Laken und Pyjama: der Verlust des Selbstverständlichen. Eine Tasse nicht mehr halten zu können, ohne sie abzusichern mit beiden Händen. Sich konzentrieren zu müssen aufs Konzentrieren.
    Es macht mich rasend!
    Ich brülle los, wie ich noch nie gebrüllt habe. Regina bleibt ruhig. Putzt alles kommentarlos weg; nur auf ihrer Stirn tauchen ein paar frische Falten auf.
    Wenn du Bescheid weißt um die eigenen Beschränkungen, bist du noch nicht völlig beschränkt.
    Habe ich früher immer gedacht. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.
    *
    Seit ich wieder unter die Leute komme, blühe ich auf. Ich kann mir förmlich zusehen beim Aufblühen. Die Sache wird sich bald von selbst erledigen, Edgar, musst nur positiv denken! Und, ja, warum nicht, die bleibenden Defizite annehmen – wenn man sie damit austricksen kann …
    Mit Furat unterhalte ich mich am liebsten. Meist schwatzen wir über Belanglosigkeiten. Wie Beşiktaş Istanbul unter dem neuen Trainer Bernd Schuster gespielt hat, oder warum Furat selbst mit dem Fußballspielen Schluss machte. Manchmal nimmt das Gespräch auch eine ernste Wendung. Wenn ich eingestehe, Aussetzer zu haben, oder wie die Kopfschmerzen mir zusetzen. Mit Furat kann ich leichter darüber reden als mit Regina. Der Junge ist unkompliziert und zumeist gut drauf. Ein echter Gewinn für das bisher rein weibliche Team.
    „Du, Chef, und ich – wir sind die letzten Männer in dieser Weiberwelt.“
    Dass er Weiberwelt mittlerweile hinter vorgehaltener Hand sagt, zeigt, wie lernfähig der Bursche ist. Längst beglückwünsche ich mich dafür, damals, als es um Furats Anstellung ging, ebenfalls lernfähig gewesen zu sein.
    Meine negative Einstellung gegenüber dem Islam ließ mich ihn einer peinlichen Befragung unterziehen. Am Ende stellte sich heraus, dass die Befragung für den Inquisitor peinlicher ausfiel als für den Befragten.
    „Wie hältst du es mit der Religion?“
    Furat schaute so verwundert drein, dass ich mich genötigt fühlte zu erläutern: Selbstverständlich könne jeder hier glauben oder nicht glauben, was er wolle, aber als Betreiber dieses Studios hätte ich nun einmal sicherzustellen, dass alle Kunden, aber auch wirklich alle, gleich zuvorkommend behandelt würden. Dass nicht manche benachteiligt würden, bloß weil sich im Koran vielleicht Passagen fänden, die …
    „Worauf willst du hinaus, Mann?“, unterbrach er mich. „Rede Klartext mit mir, oder wir lassen es gleich!“
    Also redete ich Klartext. Von der Gretchen- zur Frauenfrage ist es nur ein kleiner Schritt.
    „Kannst du damit umgehen, wenn unsere weibliche Kundschaft halbnackt um dich herumschwänzelt?“
    Ich erntete ein lautes Lachen.
    „Sorry, Mann“, entschuldigte er sich sofort, „aber Frauen und herumschwänzeln – das klingt einfach witzig. Ich kann dir versichern, dass ich mit Halbnackten weniger Probleme habe als mit Frauen, die unter der Burka schwitzen.“
    Ich gab mich damit zufrieden, schließlich brauchten wir dringend einen männlichen Trainer. Seitdem hat sich gezeigt: Mit dem Jungen haben wir einen Glücksgriff getan. Furat ist ein wahres Juwel. Ein über und über mit grässlichen Tattoos geschmücktes Juwel zwar, aber sanftmütig, humorvoll, hilfsbereit. Und, soweit ich das mitbekommen habe, gegenüber allen Klienten gleichermaßen. Nur einmal noch, drei Monate nach seiner Anstellung, kam Furats religiöse Herkunft aufs Tapet, im Rahmen einer firmeninternen Fortbildungsveranstaltung. Kommunikation mit schwierigen Klienten , lautete das Thema. In der Pause standen wir beide draußen unter dem Vordach bei Kaffee und Zigaretten zusammen, während der Regen herunterprasselte.
    „Vielleicht sind ja Kommunikationsprobleme der Anfang allen Übels“, sinnierte Furat und bot mir Feuer an. „Sogar, was unser Verständnis der Heiligen Schriften angeht.“
    „Weise Feststellung“, sagte ich und hielt die Zigarette über die Flamme.
    „Zum Beispiel

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