Jemand Anders
„abgeschossen werden. Ansonsten: Anhaltende körperliche Schäden sind beim Angreifer kaum nachzuweisen.“
„Weiße Folter“, sagte die Dicke, „so ein Ding eignet sich vermutlich ausgezeichnet dafür. Keine Chance, einen Missbrauch später strafrechtlich zu verfolgen.“
Bleier warf ihr einen bösen Blick zu. Ihm war die Lust vergangen, sich weiter zu diesem Thema zu äußern.
„Ich hoffe, ich habe Ihre Frage ausreichend behandelt?“, sagte er in Richtung der Fragestellerin. Er bekam keine Antwort.
„Nur noch eins“, wollte der junge Mann wissen, der empfohlen hatte, sich mehr um die Opfer und weniger um die Täter zu kümmern. „Was würde mich so ein Ding kosten?“
„Ist wohl nicht ganz billig. Je nachdem, welche Version Sie sich zulegen möchten, ob mit oder ohne Laser-Zieleinrichtung. Für ein professionelles Gerät müssten Sie im Handel schon an die tausend Euro hinblättern, würde ich meinen. Aber dieses Modell“ – ein letztes Mal zeigte er allen den X-26, seinen ganzen Stolz, – „wäre für Zivile ohnehin nicht zu haben. Das ist den Kräften des Innenministeriums vorbehalten.“
Danach schlägt er einen Standortwechsel vor. Die Gruppe marschiert hinunter in die kriminaltechnische Abteilung. Bleier demonstriert die neuesten erkennungsdienstlichen Errungenschaften. Nimmt spaßeshalber einigen Freiwilligen Fingerabdrücke ab und referiert über die faszinierenden Möglichkeiten, die moderne gentechnische Analysen heute und für die Zukunft eröffnen. Es kommt zu keinen weiteren Störmanövern aus dem Publikum.
Als sie eine Stunde später den Tag der offenen Tür für beendet erklärten und sich ans Aufräumen machten, kam die schlechte Nachricht: Abteilungsinspektor Kainz musste seinem Vorgesetzten, Major Bleier, melden, dass trotz genauester Suche nur zwei der drei Taser aufzufinden waren.
Bleier tobte, aber nur kurz. Er hätte keinen Eid darauf ablegen mögen, ob er nach der letzten Führung tatsächlich den Ausstellungsraum abgesperrt hatte. Man werde die Sache nicht aufbauschen, versicherte er Kainz und klopfte ihm tröstend auf die Schulter.
Dennoch stellte sich die Frage, ob man das Verschwinden der Waffe publik machen solle. Warum eigentlich nicht? Vermutlich handelte es sich bei den Dieben um irgendwelche pubertären Burschen aus dem Ort, die über kurz oder lang mit ihrer Tat prahlen würden. Ein Hinweis im Treiberner Anzeiger konnte Eltern oder Freunde schon hellhörig machen. Vielleicht würde die Waffe sogar bald wieder vor dem Eingang der Polizeidienststelle liegen, heimlich zurückgebracht von einem reumütigen Jugendlichen, dem jemand ordentlich den Kopf gewaschen hatte. Und hilft’s nichts, so schadet’s nichts, sagte sich Bleier.
Insgesamt war der Tag jedenfalls ein voller Erfolg gewesen.
0015.amr
Seltsam, wie sie reagierte, als ich sie darauf ansprach. Ihr Lächeln versteinerte. Die Tempelwächterinnen von Angkor Wat grinsen ähnlich penetrant. Nun, irgendwie ist ja auch das New Life ein neuzeitlicher Tempel.
Aber es hilft doch nichts, die Sache zu verdrängen. Und niemand macht ihr Vorwürfe deswegen, dass sie nicht im Raum war, als es passierte. Weil sie gerade im Wellnessbereich nachgeschaut hat, ob eh niemand mehr drin ist. Sie hat sich absolut richtig verhalten, das habe ich auch zu den Kripoleuten gesagt. Bevor dichtgemacht wird, muss immer jemand die Sauna und das Solarium checken. Ich meine, wenn, dann ist es genau da, wo etwas passieren könnte. Nicht, dass wirklich schon mal wer in der Sauna eingesperrt oder in einem defekten Hochdruckbräuner zu Tode gebrutzelt wurde. So etwas gibt es nur im Kino. Aber es genügt ja, wenn du auf dem nassen Boden ausrutschst und auf dem Hinterkopf landest. Da können wir hundertmal warnen, dass der Bereich nur mit Badeschlapfen betreten werden darf – was hilft’s, wenn manche sich partout nicht daran halten?
Woher hättest du wissen sollen, dass der Bell auf so eine blöde Idee kommt?, hab ich sie getröstet. Dass einer sich mit einer Langhantel umbringt, weil er sich überschätzt. Das war alles, was ich sagte. Nur, um sie zu entlasten. Aber sie hat mich angeschaut, als ob ich sie ganz fürchterlich kritisiert hätte.
Ob die Kripo noch einmal kommen werde? Wozu?, sagte ich, ist doch alles geklärt. Aber weil sie von sich aus die Polizei erwähnte, wollte ich wissen, wie ihr denn der ToT gefallen hatte. Welcher Tod?, fragte sie. Ich musste lachen. Der Tag der offenen Tür, sagte ich, den die Treiberner Polizei
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