Jemand Anders
sich auf seine Couch legt.
Und die Chancen dafür, schätzt er, stehen zurzeit gar nicht schlecht.
15. Dezember 2009
Die Handtasche, die das Mädchen über der rechten Schulter trug, hatte einen fernöstlichen Touch und wirkte irgendwie unproportional. Zu groß für so ein zartes Geschöpf, dachte Major Bleier. Er bat sie und die anderen Besucher in den Aufenthaltsraum, der noch nach frischer Farbe roch und für den heutigen Anlass leicht zweckentfremdet worden war.
Sie hatten drei Tische zusammengerückt und darauf ihr ganzes Arsenal deponiert; oder jedenfalls das, was man der interessierten Öffentlichkeit zeigen durfte: Helme, Schilde, digitale Funkgeräte, Türrammen, diverse Schusswaffen, Taser, Schutzanzüge. Aus Erfahrung wusste Bleier, dass sich die meisten für die Handfeuerwaffen interessierten. Manche Kids wollten sogar wissen, welches Kaliber die Glock 17 hatte oder wie viel Schuss pro Sekunde man mit dem StG 77 theoretisch abfeuern konnte. Die lieben Kleinen! Vielleicht waren sie wegen ihrer Computerspiele so technisch versiert? Einen Augenblick lang hing er privaten Gedanken nach, erinnerte sich an das Geplärr und Gezeter seines Fredi, letzte Woche im MediaMarkt. Alice hatte ihm die neue Spielkonsole, auf die der Bub scharf war, partout nicht kaufen wollen. Wahrscheinlich, weil darauf Sylvester Stallone in seiner üblichen martialischen Haltung als Werbeträger posierte. Alice hasste Sylvester Stallone. Sie hasste alles, was mit geölten Muskeln und geölten Kanonen zusammenhing. In dem Fall war der Schuss der Werbestrategen wohl nach hinten losgegangen. Er selbst hätte dem Buben die Konsole ohne weiteres gekauft, wo er doch in einer Woche den siebten Geburtstag feierte. Aber deiner Frau kannst du natürlich schon aus pädagogischen Gründen nicht in den Rücken fallen, da kann der Bub plärren, wie er will.
An der Wand klebten, weniger attraktiv, aber unvermeidlich an einem solchen Tag, Grafiken und Statistiken. Über die Anzahl der Einsätze in den letzten Jahren und wie oft von der Schusswaffe Gebrauch gemacht worden war (viermal insgesamt, einmal als Schreckschuss und dreimal, um bei Bränden Gasflaschen kontrolliert zur Explosion zu bringen); weiters, wie viele Cobra-Beamte im Einsatz verletzt oder getötet worden waren (im letzten Jahr zum Glück kein Einziger im ganzen Bundesgebiet). Ein anderes Plakat stellte den typischen Ausbildungsweg dar, der am Ende in die Aufnahme beim Spezialkommando münden konnte. Mit Betonung auf konnte . Denn selbst wenn alle physischen Kriterien erfüllt würden – ausschlaggebend sei der Charakter, die psychische Belastbarkeit und Ausgeglichenheit. Wir haben keine Rambos in unserer Einheit, und wir brauchen und wollen auch keine. Das sagte Bleier jetzt schon zum zweiten Mal. Aber man konnte es ja nicht oft genug sagen.
Es war dies bereits die dritte und letzte Führung durch die neu eröffnete Polizeidienststelle, dennoch war der Raum wieder knallvoll mit Leuten. Der Tag der offenen Tür kam wirklich sensationell an. Vielleicht lag es auch ein bisschen am Plakat. An seinem Plakat. Immerhin war es Bleiers Idee gewesen, ToT in riesigen roten Lettern darauf prangen zu lassen, ein dem Anlass würdiger Blickfang. Der die Gefährlichkeit ihres Berufs gebührend in den Mittelpunkt rückte, und werbemäßig ein Hammer. Dass man gratis Würstl und Getränke ausgab, schadete natürlich auch nicht. Wie auch immer, der Zulauf übertraf alle Erwartungen. Und das mitten im Advent, eigentlich nicht die ideale Zeit für polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit. Er wusste jetzt schon, wie der Pressesprecher die Veranstaltung in der nächsten Ausgabe der Lokalzeitung vermarkten würde: Der Andrang beim diesjährigen Tag der offenen Tür demonstrierte wieder einmal augenscheinlich, wie positiv die Rolle der Sicherheitskräfte trotz aller Unkenrufe von der Bevölkerung wahrgenommen wird. Was für ein Event im Advent …
Am Vormittag hatte man den Besuchern ein paar Highlights aus dem breit gefächerten Aufgabenbereich des EKO Cobra geboten: Abseilaktionen vom Hubschrauber, das blitzartige Erstürmen einer Wohnung, das Fixieren von Übeltätern mit und ohne Polizeihund. Er selbst hatte das Ganze moderiert und nicht vergessen, auf die harte Ausbildung, das tägliche Training und den einsatzintensiven Alltag seiner Mannschaft hinzuweisen. Und wozu all das? Natürlich um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Offenbar war Oberstleutnant Kaiblinger, sein
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