Jemand Anders
unmittelbarer Vorgesetzter, mit ihm zufrieden gewesen. „Brillant, Bleier“, hatte er gesagt, und es hatte ehrlich geklungen, auch wenn die L-Laute in brillant und Bleier aus dem Mund des Wieners so breit tönten wie ein ausgewalzter Leberkäse. Bei der anstehenden Weihnachtsfeier werde man sich dafür erkenntlich zeigen, hatte der Oberstleutnant gesäuselt und ihn dabei freundschaftlich in die Rippen geboxt. Ein guter Tag, er hatte es schon beim Aufstehen gespürt.
„Sonst noch irgendwelche Fragen?“
Eine Frauenhand reckte sich zaghaft in die Höhe. Er konnte das Gesicht nicht erkennen, die Männer vor ihr waren allesamt einen Kopf größer als sie.
„Ja, bitte?“
„Könnten Sie … wären Sie bitte so freundlich zu erklären, wie dieser … äh … Taser genau funktioniert?“ Die Stimme klang jung und ziemlich unsicher.
Nichts lieber als das. Der Taser X-26 war dem Major ein besonderes, fast persönliches Anliegen. Womit sollte er beginnen? Am liebsten hätte er erst einmal ein paar technische Details erläutert: über die Nitrogen-Treibladung, welche die Kontaktpfeile auf 180 Kilometer pro Stunde beschleunigte, mit einer Reichweite von über fünf Metern; über die Stromspannung von satten 50.000 Volt oder über die Bedeutung der Abkürzung EMD. Da er aber befürchtete, bei der jungen Dame damit nicht punkten zu können, entschloss er sich, gleich mit dem Sicherheitsaspekt anzufangen. Der wurde ja von diesen Menschenrechtsheinis, die in ihren jährlichen Berichten versuchten, den Taser madig zu machen, viel zu wenig gewürdigt.
„Bei diesem Gerät handelt es sich um eine Elektroschockwaffe, die 2006 probeweise bei uns und der WEGA eingeführt wurde. Der Taser bietet einerseits höchstmögliche Sicherheit für das Opfer bzw. den im Einsatz befindlichen Exekutivbeamten; gleichzeitig konnte, wie die Statistik beweist …“ – der Major zeigte auf eine Tafel – „dank dieses differenzierten Instruments die Mortalitätsrate auf Seite der Aggressoren in den letzten drei Jahren drastisch gesenkt werden.“
„Mit anderen Worten: Ihr bringt’s in Zukunft hoffentlich weniger Leut’ um bei euren Einsätzen?“, bemerkte eine ältere, voluminöse Frau. Ihr grauer, langer Zopf hing an der Seite herab, und sie trug ein seltsam antiquiertes Kleid. Mit einem karierten Stofftaschentuch wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Trotz der Jahreszeit hatte es bestimmt dreißig Grad im Raum.
„Scheiß auf die Täter!“, rief ein junger Mann. „Was macht’s euch immer Sorgen um die. Kümmert’s euch lieber um die Opfer!“
Major Bleier zog es vor, auf keinen der Kommentare einzugehen.
„Wir sprechen von einem differenzierten Instrument beim Taser, weil er sowohl als Kontakt- als auch als Distanzwaffe verwendbar ist. Indem man also den Kontakt dadurch herstellt, dass man den Angreifer mit der Waffe direkt berührt – wobei die Hochspannungsimpulse eine bis zu fünf Zentimeter dicke Kleidung überspringen können –, oder indem man paarweise angeordnete Kontaktpfeile auf den Angreifer abschießt. Selbst im zweiten Fall kann man mit dem Taser bedeutend zielgenauer operieren als etwa mit einem Pfefferspray. Wenn ich das mal demonstrieren darf …“
Bleier nahm einen der drei Taser vom Tisch und hielt ihn in die Höhe, während er mit seiner Erläuterung fortsetzte.
„Die Waffe gibt also kurze elektrische Impulse mit hoher Spannung ab, wodurch es zu einer Irritation des Nervensystems kommt, die eine sofortige Bewegungsunfähigkeit des Gegenübers zur Folge hat. Im Prinzip ist der Taser gleich effektiv wie eine Schusswaffe, allerdings wesentlich weniger gefährlich. Zweifellos das gelindeste Mittel bei der Ausschaltung eines Aggressors.“
Er war stolz auf seine Verwendung des Begriffs gelinde , machte er sich doch damit eine Vokabel der Gegenseite zunutze. Unter einem ein bisschen anderen Vorzeichen allerdings. Im letztjährigen Bericht des Menschenrechtsbeirats war die österreichische Exekutive wieder einmal gerügt worden, weil in etlichen Fällen angeblich gelindere Mittel als der Taser angebracht gewesen wären. Na ja, das kommt dabei heraus, wenn Laien oder Linke oder eine Kombination aus beiden solche Papiere verfassen dürfen!
„Natürlich gilt es im Distanzmodus darauf zu achten, dass man nicht gerade auf die Augen zielt“, setzte er fort. „Nicht so sehr wegen der elektrischen Impulse, sondern wegen der Widerhaken, die hier …“ – er legte den Zeigefinger auf die Öffnung –
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