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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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Frühmesse hätt’ man gerne verzichtet. Aber sonst ... Es gab Schlimmeres unter der Sonne.“
    „Ja eh. Die meisten Patres waren schon in Ordnung.“
    „Ein katholisches Internat, in dem man nicht sexuell missbraucht wurde – das hat doch was.“
    „Zumindest Seltenheitswert.“
    Gelächter.
    „Trotzdem ... nix für ungut ... ich kann die Pfaffen bis heut’ nicht ausstehen. Weißt warum? Weil sie an nix anderes denken können als wie an den Tod. Genau wie die Kriminalschriftsteller. Die einen leben davon, dass sie über den Tod schreiben, und die anderen, dass sie darüber predigen. Immerhin: Wenn so ein Schreiberling genug Geld verdient hat, hört er vielleicht auf damit. Ein Pfaffe nicht, niemals, der ist total fixiert auf den Exitus. Eh kein Wunder: Schließlich leitet er ja seine Existenzberechtigung ab vom Glauben an das, was danach kommt. In der Hinsicht ist ein Pfaffe sogar schlimmer als ein Mörder. Der murkst dich ab, aber dann gibt er Ruh.“
    „Wer weiß ... Vielleicht denkt so ein Mörder auch an nix anderes? Gerade wegen seiner Tat, verstehst? Ob’s ihn noch bei Lebzeiten erwischt oder erst beim Jüngsten Gericht.“
    „Aber er redet wenigstens nicht die ganze Zeit davon! Hab ich recht, Edgar? Na ja, du warst ja eine wohltuende Ausnahme unter all den Pfaffen, die einzige weit und breit. Prost!“
    „Prost!“
    Gläserklingen.
    „War immer ein guter Kerl, unser Edgar. Was, Otto?“
    „Ja eh. Vielleicht ein bisserl ein zu guter.“
    Lachen.
    „Ob’s das gibt? Dass einer zu gut ist, mein’ ich.“
    „Sicher! Weil dem dauernd auf den Kopf g’schissen wird. So wie dir, damals.“
    „Wie meinst das jetzt?“
    „Weißt noch, wie du uns einmal erwischt hast beim Wichsen?“
    „Ich kann mich erinnern, ja. Ist euch aber nicht groß was passiert deswegen, oder?“
    „Na, eh net. Und weißt warum? Weil wir gewusst haben, wie wir uns wehren können.“
    „Nämlich wie?“
    „Indem wir die Pfaffen mit ihren eigenen Waffen schlagen.“
    „Mit ihren eigenen Waffen? Ich versteh kein Wort.“
    „Ach, vergiss es. Was spielt es für eine Rolle, nach fünfunddreißig Jahren. ’Tschuldigung, aber ich muss jetzt meine Medizin einnehmen. Das Herzerl, weißt eh ...“
    „Du leidest unter Herzbeschwerden und gehst ins Fitnesscenter? Ist das nicht gefährlich?“
    „Nicht, wenn du das Zeug regelmäßig schluckst. Betablocker für das Alphatier, haha. Dreimal täglich zwei von denen, und man ist wieder so gut wie neu. Na ja, fast so gut wie ...“
    „Aber der viele Alk dazu ... Ob das gesund ist!“
    „Jetzt verkopf’ dich nicht! Ich nehm’ das Zeug schon lange genug. Hat mich noch nie von was abgehalten, nicht einmal vom Schnackseln. Und selbst wenn – was gibt’s Schöneres, als dabei ex zu gehn? Bei der schönsten Sache der Welt ... Was, Otto?“
    „Ja eh.“
    „Wirt, komm her! Mach ein Foto von uns drei. So jung kommen wir nimmer zusammen.“
    Kameraklicken.
    „Super! Aber du schaust so streng drein, Edgar, viel zu streng. Lach halt einmal, bist ja nicht mehr bei den Betbrüdern. Komm, eins geht noch! Ich lad’ dich ein.“
    „Nein, danke, mir reicht’s. Sag mir lieber: Was hast du gemeint mit den Waffen, mit denen ihr uns geschlagen habt?“
    „Der Edgar! Will, dass wir alles beichten, das letzte Geheimnis! Na ja, einmal ein Pfaff’, immer ein Pfaff’ ...“
    „Jetzt sag’s ihm halt, J. R.! Sag ihm, was wir dem Pater Rektor erzählt haben unter sechs Augen.“
    „Ja, warum eigentlich nicht? Wenn wir schon so lustig beieinander sind. Also, pass auf: Der gute Pater Rektor hat uns doch damals ordentlich ins Gebet genommen. Wollte unbedingt wissen, warum du uns zu dir aufs Zimmer bestellt hast. Na, die Wahrheit konnten wir natürlich nicht sagen. Da haben wir uns halt eine lustige Geschichte ausgedacht. Und der alte Depp hat sie prompt gefressen ...“

30. April 2010
    Es geht stetig bergauf, aber Regina summt unverdrossen vor sich hin, irgendeinen Schlager aus den Sechziger- oder Siebzigerjahren. Ihr Musikgeschmack ist gewöhnungsbedürftig, ständig hat sie so eine Schnulze auf den Lippen: How Deep Is Your Love , Wir wollen niemals auseinandergeh’n ... Was mich daran stört? Vermutlich sind es die Ewigkeitsansprüche, die darin laut werden, das maßlose Aufplustern. Ob es nun auf ewige Liebe macht oder auf ewige Verdammnis.
    Bei der frisch restaurierten Gnadenkapelle legen wir eine Rast ein. Meine Kondition ist erbärmlich, vielleicht sollte ich mich doch wieder einmal an unseren

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