Jene Nacht im Fruehling
Rasierwasser - Englisch Leather -vom Bord nehmend. Sie öffnete sie und roch daran.
»Ich habe den kräftigen Bartwuchs meines Vaters geerbt. Ein elektrischer Rasierer wird damit nicht fertig.«
Sich an die Wand neben dem Spiegel lehnend und mit der Flasche spielend, beobachtete sie, wie er nun mit der Klinge streifenweise die Seife von den Wangen und dem Kinn entfernte und zwischendurch die Klinge unter dem laufenden Wasser reinigte. Einmal fing er im Spiegel ihren Blick auf und kniff ein Auge zusammen.
Ihm im Spiegel zulächelnd, dachte sie, was für ein herrlicher Augenblick das doch war. Manchmal fühlte sie sich mehr mit Mike verheiratet als jemals früher mit ihrem Ex-Gatten. Der hatte eiserne Regeln, und eine davon lautete, daß eine Frau und ein Mann sich niemals zusammen im Badezimmer aufhalten durften.
»Weißt du inzwischen, was du machen willst?«
»Hmm?« meinte sie verträumt, ihn beobachtend.
Er beendete die Rasur, hielt dann einen Waschlappen unter das heiße Wasser und drückte ihn eine Weile lang gegen das Gesicht, ehe er sich die Überreste des Rasierschaums von Hals und Wangen wischte. Sich umdrehend, beugte er sich zu ihr hinunter, bis sein Gesicht dem ihren ganz nahe war. »Was meinst du dazu?« sagte er, sein Gesicht von einer Seite auf die andere drehend.
Lächelnd legte Samantha ihm die Hände auf die Wangen, befühlte seine frischrasierte Haut und war versucht, ihm mit den Daumen über die Lippen zu streichen, ihn vielleicht sogar zu küssen. »Babyweich.«
»Bist du sicher?« Sich noch mehr zu ihr neigend, rieb er seine Wange an den ihren, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite.
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, spürte seine warme Haut unter den Fingern und schloß einen Moment lang die Augen.
»Keine übersehenen Bartstoppeln, die die Haut einer Lady verletzen könnten?«
»Nein, keine«, sagte sie leise, den Kopf an die Wand zurücklehnend. »Vollkommen glatt.«
Abrupt bewegte er sich von ihr weg, und Samantha runzelte wider Willen die Stirn. Sonst versuchte er doch immer, sie zu küssen, aber heute morgen tat er das nicht. Sie ahnte ja nicht, daß ihre Nähe so früh am Morgen mehr war, als Mike ertragen konnte. Wenn er sie nicht anfassen wollte, mußte er von ihr wegrücken. Doch Samantha begriff Mikes jähes Zurückweisen nicht, sah, einem Impuls folgend, in den Spiegel - und stieß einen spitzen Schrei aus. Weil sie sich gestern nicht abgeschminkt hatte, war ihr Maskara verschmiert und ihr Haar, das noch feucht gewesen war, als sie gestern ins Bett ging, stand ihr nun vom Kopf weg. Sie griff nach einem von Mikes Kämmen, hielt ihn unter den Wasserhahn und versuchte dann ihre Haare einigermaßen zu glätten. Mike lachte hinter ihr und küßte sie dann auf den Nacken.
»Du siehst schön aus«, sagte er wahrheitsgemäß.
»So schön wie Vanessa?« fragte sie und hielt sich dann erschrocken den Mund zu. Sie hatte das nicht sagen wollen.
Mike zog eine Braue hoch. »Du hast spioniert? in den Schubladen fremder Leute gestöbert? Ihre Privatsachen durchwühlt?«
»Ganz bestimmt nicht. Ich ... ich wollte nur ein Paar Socken, das ist alles. Ich mochte dich damit nicht belästigen, und dachte, ich schaue mal in der Kommode nach. Ich hatte ja keine Ahnung, daß du etwas dagegen haben würdest, daß ich mir ein Paar Socken von dir ausleihe.« Sie hielt inne, weil er sie spöttisch im Spiegel angrinste. Die Nase in die Luft reckend, um ihm zu zeigen, was sie von ihm dachte, drängte sie sich an ihm vorbei zur Badezimmertür. »Mir kann es doch egal sein, wer Vanessa ist. Ich bin sicher, daß du Dutzende von Freundinnen hast. Was geht mich das an?«
Als er schwieg, drehte sie sich um und sah ihn, an einen Türpfosten gelehnt, unter der Badezimmertür stehen, dieses allwissende Lächeln auf dem Gesicht.
»Würdest du jetzt bitte gehen? Ich muß mich anziehen.«
»Ich auch, und meine Kleider befinden sich hier. Aber vermutlich ist dir das auch nicht verborgen geblieben.«
»Ich weiß gar nichts.« Sie bewegte sich nun auf die Tür zu, die in den Flur hinausging, aber er hielt sie am Arm fest.
»Wo willst du hin?«
»In mein Apartment, obwohl dich das eigentlich nichts angeht.«
Er legte beide Arme um sie und hielt sie locker fest, während sie sich gegen seinen Griff wehrte. »Nun schau dir mal an, was du gemacht hast!« sagte er.
Samantha würde sich das bestimmt nicht anschauen, weil sie sehr wohl wußte, daß das Handtuch inzwischen auf den Boden gefallen
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