Jenny heftig in Noeten
am Dienstag bei der ersten Generalprobe in voller Montur vor sich stehen sah, stiegen ihm sogar Tränen in die Augen. »Endlich seht ihr aus wie ein echter Chor!«
Ich frage mich, wie wir vorher ausgesehen hatten. Anscheinend nicht wie ein Chor.
Die Kleider waren gerade noch rechtzeitig gekommen. Schon am Freitag – dem Tag vor dem Frühlingsball – sollten die Clayton High Troubadours (zusammen mit Mr Hall und ausgewählten Mitgliedern des Clayton High Orchesters, die uns musikalisch begleiteten) einen eigens gemieteten Reisebus besteigen und zur Bishop Luers Highschool fahren, wo wir auf ein Dutzend weiterer Musical-Schulchöre treffen würden. Jeder Chor würde 15 Minuten Zeit haben, um die Jury – lauter höchst bedeutende Persönlichkeiten (unter anderem eine ehemalige Miss Kentucky) – mit seiner stimmlichen Vielfalt, Brillanz und Harmoniefähigkeit, Intonation, rhythmischen Präzision, Interpretation, Grazie, seinem Gesamteindruck und Tempo, seiner Choreografie und seiner Bühnenpräsenz zu blenden.
Ich weiß. Lahmer geht es kaum. Ich meine, eine ehemalige Miss Kentucky ? Hallo? Sie hätten ja wenigstens Andrew Lloyd Webber oder so jemanden holen können.
Trotz des extrem hohen Lahmheitsquotienten waren alle unglaublich nervös. Zumindest Mr Hall und die Sopranistinnen. Wir Altstimmen interessierten uns mehr dafür, Papierfitzelchen zu werfen und zu schauen, wie viele sich davon in den Locken von Karen Sue Walters verfingen, die eine Reihe unter uns stand.
Irgendwann merkte sie es und beschuldigte uns, sie mit in Spucke eingeweichten Papierkügelchen beworfen zu haben. Ist das zu glauben? Und Mr Hall machte aus der Sache einen Riesenskandal. Dabei waren es gar keine eingespeichelten Papierkügelchen gewesen, sondern bloß Fetzen aus dem Matheheft der gelangweilten Liz.
In dieser letzten Woche vor dem Wettbewerb probte Mr Hall so oft mit uns, bis sich mir »All that Jazz« unauslöschlich als Dauersoundtrack ins Hirn eingebrannt hatte. Wir hatten keinerlei Probleme mit unserer stimmlichen Vielfalt, Brillanz und Harmoniefähigkeit, Intonation und Diktion. Aber laut Mr Hall haperte es bei vielen noch an der rhythmischen Präzision. Und einige von uns – okay, eine von uns – hatte massive Probleme mit der Choreografie.
Zu meiner Verteidigung kann ich nur noch einmal betonen, dass mich beim Vorsingen niemand davor gewarnt hatte, dass auch getanzt würde. Also ehrlich, dass man im Chor singt, leuchtete mir ja ein. Aber tanzen? Keiner hatte ein Wort von tanzen gesagt.
Normalerweise hätte ich Trina gebeten, nach der Schule mit zu mir zu kommen und die Choreografie mit mir zu üben. Was sie normalerweise auch gern getan hätte.
Aber Trina und ich redeten nicht mehr miteinander. Das heißt, ich redete schon noch mit Trina – das Problem war nur, dass sie nicht darauf reagierte.
Was mich ziemlich bald langweilte. Am Dienstag fand ich, dass sie nun schon lang genug nicht mehr mit mir geredet hatte.
Und am Mittwoch hing es mir endgültig zum Hals raus.
Ich war es auch leid, mich von Mr Hall anbrüllen zu lassen, dass ich die ganze Choreografie versaute. Was letzten Endes ja auch Trinas Schuld war. Ich meine, sie war diejenige, die gesagt hatte: »Geh doch in den Chor. Das macht sich gut im Zeugnis.«
Nur: Was nützte mir ein gut aussehendes Zeugnis, wenn ich TOT war? Genau das war ich nämlich, da war ich mir ziemlich sicher, wenn Mr Hall mich nicht endlich wegen der beknackten Choreografie in Ruhe ließ. Ich würde einfach TOT umfallen.
Bei »As long as He Needs Me (I’ll Klingon steadfastly)« ging es noch, weil der Song ziemlich langsam gesungen wird, und bei »Day by Day« mussten wir sowieso nur in unseren bescheuerten Kleidern dastehen und in die Scheinwerfer blinzeln. »Ihr schaut in einen wunderschönen Sonnenuntergang«, lautete Mr Halls Regieanweisung. »In einen Regenbogen, in dem sich Gottes ganze Liebe widerspiegelt.«
Der Knackpunkt war »All that Jazz«. O Mann, graute es mir vor »All that Jazz«. Die Schrittfolge Spitze-Hacke-Spitze während der Zeile »I bought some aspirin down at United Drug« schaffte ich ja noch, auch das Hände in die Luft reißen und wild schütteln bei »Start the car, I know a whoopee spot« kriegte ich hin, aber wenn Trina ihren dämlichen Hut für die dämliche Cancan-Tanzeinlage brauchte, vermasselte ich es jedes Mal.
Ich sage jetzt mal ganz offen, dass daran auch Trina eine gehörige Mitschuld trug. In der Vorwoche, als wir noch miteinander geredet
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