Jenseits der Alpen - Kriminalroman
vor, sah zu Tom hinüber und nickte verschmitzt. Selbst die Münchener Kollegen machten ein ungläubiges Gesicht.
Man hätte ein Blatt Papier zu Boden fallen hören. Eine Mischung aus Überraschung und Unglauben bemächtigte sich der Versammelten. Zunächst kommentierte keiner, was Werz gesagt hatte.
Tom gähnte vernehmbar. Dann konnte er nicht länger an sich halten. »Wie viele Handtaschen wird es im Bundesland Tirol geben? Zwei Millionen? Oder drei? Und das soll ausgerechnet die von Selma Ruspanti sein?«
Ottakring sah Tom forschend an. »Danke, Werz«, sagte er dann ungerührt zum LKA -Mann. »Es ist bemerkenswert, dass die Tiroler auf unsere Bitte eingehen. Und …«, an den jungen Rosenheimer gewandt, »… sag niemals nie. Allzu oft spielt das Unwahrscheinliche eine entscheidende Rolle bei unseren Ermittlungen. Vorweg sollen sie uns bitte ein paar gute Farbfotos der Tasche schicken oder mailen und den genauen Fundort und die Zeit des Fundes nennen. Würden Sie das für uns tun, Herr Werz?«
Mit den Handflächen nach oben breitete der die Arme aus.
»Dann stellt sich nun die Frage«, fuhr Ottakring fort, »was wir mit dieser Information anfangen. Wie werden wir jetzt verfahren? Was meinen Sie?«
»Erst mal die Fotos abwarten«, rief Eberl sofort in den Raum.
»Das ist doch klar«, entgegnete Tom. »Aber wie kriegen wir heraus, ob die Tasche dem Opfer gehört?«
Ina neben ihm stupste ihn an. »Wir brauchen die Tasche in natura«, sagte sie. »Nicht nur die Fotos. Damit machen wir dann einen DNA -Abgleich. Dann wissen wir es hundertprozentig. Im Besitz der Selma- DNA sind wir ja schließlich.«
Jenny, die Anwärterin, rutschte unruhig hin und her. Wie eine Schülerin hob sie einen Finger.
»Galland«, rief Ottakring sie mit verstellt tiefer Stimme und ernster Miene auf.
»Danke«, sagte Jenny fröhlich mit geweiteten Augen. »In Sardinien ermitteln doch Herr Waller und Frau Agnes im Umfeld der Toten. Wäre es nicht sinnvoll, ihnen die Fotos der Tasche zu mailen? Sie könnten den Ehemann fragen, die Freundinnen, die …«
Eberl und Mayr klatschten verhalten.
Ottakring fiel in den Beifall ein. »Brav«, lobte er. »Genau das werden wir tun.«
»Fahren Sie zur Landespolizeidirektion und melden Sie sich bei Oberleutnant Spurny«, hatte der Kriminalrat den Kurier angewiesen. Mehr hatte er ihm nicht mit auf den Weg geben müssen. Der Fahrer war unzählige Male schon in Innsbruck gewesen.
Gut zwei Stunden später war er wieder auf dem Weg zurück. Er umfuhr den üblichen Stau und klopfte gegen dreizehn Uhr dreißig am Büro von Kriminalrat Ottakring.
»Schon zurück?«, sagte der Kriminalrat überrascht. »Geben Sie her.« Er quittierte den Empfang. »Halten Sie sich bitte zur Verfügung«, wies er den Fahrer weiter an. »Die Sache muss heute noch nach München zum LKA .«
Er streifte Handschuhe über und öffnete die Verpackung des kleinen Pakets. Sie enthielt eine Schachtel und einen braunen Umschlag. In diesem Umschlag waren gestochen scharfe Farbfotos der beschriebenen Handtasche und des Fundorts. Die Tasche war stellenweise von einer leichten Dreckschicht überzogen, doch die Farben Blau und Rot kamen deutlich zum Vorschein.
In der Schachtel fanden sich ein weiteres Päckchen und ein handgeschriebener, gefalteter Zettel. Das Päckchen enthielt wie erwartet die Originaltasche. Sie war ringsum mit blauen und roten Glasperlen besetzt und an einer Ecke aufgerissen. Ottakring öffnete den goldfarbenen Verschluss. Die Tasche war leer.
Die Handschrift auf dem Stück Papier war nicht leicht zu entziffern. »Ein Autofahrer hat die Tasche im Gebüsch neben dem Parkplatz im Schnee gefunden«, las Ottakring mühsam. »Wir haben sie natürlich im Fundzustand belassen, möglicherweise sind Spuren aus dem Bereich des Autofahrers drauf. Die Tasche war vollkommen durchnässt und nach Angabe des Finders schon beim Auffinden leer gewesen. Die anderen Fotos zeigen den Fundort.« Dann folgte absolut Unleserliches. Gruß und eine Unterschrift, die vermutlich zu Spurny gehörte.
Es bedurfte eines Spezialisten in der Direktion, um die unleserlichen Zeilen in Spurnys Notiz zu entziffern. Die Tasche, stellte sich heraus, war auf einem Parkplatz der Raststätte Angath-Süd, nur eine kurze Distanz nördlich von Wörgl gelegen, aufgefunden worden. Ottakring legte die Stirn in Falten, als er die Fotos vom Fundort betrachtete.
Was würde er damit anfangen? Ottakring tat, was er am zweitliebsten tat: Er überlegte.
Er zog
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