Jenseits der Eisenberge (German Edition)
ihn mit Panik, dass er alles vergessen hatte. Nun, nicht alles. Er wusste seinen Namen. Lamár. Hatte er nicht geglaubt, sein Name wäre Kirian? Das war gewiss ein Traum gewesen. Es fühlte sich so an, als müsste er nur zupacken, und all seine Erinnerungen wären wieder bei ihm. Hatte er nicht eben darüber nachgedacht, dass es jenseits des Sturmes Sommer sein müsste?
Vielleicht liegt es an dem Gift. Man hat mich betäubt … Also wurde ich gefangen genommen. Ich bin kein Sklave, das weiß ich genau. Ganz genau … oder?
Schmerz wallte hinter seiner Stirn auf, stechende, pochende Schmerzen. Nur ein Wimpernschlag, dann waren sie verschwunden.
Besser, nicht nachzudenken. Sicherlich hab ich einen Schlag auf den Kopf erhalten, dachte er, und gab jeden Versuch auf, sich zu erinnern.
„Weg da, Sklave!“
Jemand packte Lamár hart am Arm und stieß ihn zur Seite. Es war ein Reflex, Lamár hätte ihn nicht einmal unterdrücken können, wenn er es gewollte hätte: Noch während er sich mit der rechten Hand abstützte, um nicht in den Schnee zu fallen, holte er mit dem linken Fuß aus und trat nach dem Mann.
Der zufriedene Triumph über den Schmerzensschrei seines Angreifers mischte sich sofort mit Entsetzen.
„Mebana, kommt rasch! Ich habe Euch gewarnt, Mebana, der ist gefährlich!“, rief Ruquinn. Lamár wurde ergriffen und in die Höhe gezwungen.
„Ein Sklave schlägt niemals zu, weder bei seinesgleichen noch seinen Herren. Du wirst dies begreifen müssen oder sterben.“ Lamár starrte in das Gesicht seines Mebanas, der ihn eisern an den Oberarmen umfasst hielt. Der Blick dieses Mannes wirkte eher amüsiert als wütend.
„Gib ihm etwas, damit er diese Regeln nicht noch einmal vergisst“, befahl der Mebana und schubste Lamár zu Boden. Ein harter Schlag traf ihn hinterrücks – Ruquinn!
„Ein Sklave starrt niemals seinen Herrn an, er hat den Kopf zu senken!“ Grobe Hände zerrten an Lamárs Kleidung und entblößten seinen Oberkörper. Die schneidende Kälte war beinahe schwerer zu ertragen als die Schläge, die auf ihn niedergingen. „Ein Sklave gehorcht, egal wie der Befehl lautet!“ Noch mehr Hiebe. Lamár biss die Zähne zusammen. Er spürte, dass Ruquinn sich zurückhielt, vielleicht zurückgehalten wurde – der Lederriemen zerriss seine Haut nicht, sondern brachte bloß mehr Schmerzen. „Ein Sklave wehrt sich niemals gegen seine Bestrafung, denn sein Herr ist gerecht und schlägt ihn nur, wenn es notwendig ist!“
Beinahe hätte Lamár gelacht über diesen Satz, doch er wusste, dadurch würde alles noch schlimmer werden. Er biss sich auf die Lippen, versuchte wenigstens nicht zu schreien, als er ein gequältes Stöhnen nicht mehr unterdrücken konnte. Sein Bewusstsein schwand, nur zu gerne wollte er sich der gnädigen Dunkelheit ergeben. Aber da hörten die Schläge auf, jemand half ihm zurück in die schützende, wärmende Kleidung. Benommen hob Lamár den Kopf. Es war vermutlich ein anderer Sklave, der sich um ihn kümmerte, erkennbar an dem leeren Blick.
„Versuch das nicht noch einmal, Lamár. Du bist ein Sklave, und sonst nichts“, sagte sein Mebana aus weiter Ferne.
„Und was war ich, bevor ich zum Sklaven wurde?“, flüsterte Lamár.
„Der Diener eines anderen Herrn“, erwiderte der Sklave über ihm und schüttelte missbilligend den Kopf. „Du hast vergessen, wer du bist, sicher wurdest du darum verkauft. Verrückte sind wenig nützlich, aber du warst und bist ein Sklave.“
Matt ließ Lamár zu, dass man ihn in eine windgeschützte Ecke schleppte. Der Sklave legte ihm noch eine Decke über und beachtete ihn dann nicht mehr.
Vielleicht hat man mich verkauft, weil ich mich nicht unterwerfen wollte, dachte er. So wie es aussieht, war das keine gute Idee. Widerstand bringt Leid … Ich sollte mich damit abfinden. Ich bin ein Sklave.
Er wiederholte diesen einen Satz in seinem Inneren, wieder und wieder. Vielleicht würde er es hinzunehmen lernen, wenn er es schon nicht glaubte.
Ich bin ein Sklave …
5.
Lys starrte in die sorgenvollen Gesichter der Räuber. Er war dort stehen geblieben, wo er vom Pferd abgesprungen war, und berichtete hier, auf einem wenig genutzten Seitenweg, alles, was er in Purna erfahren hatte.
„Ich werde unverzüglich nach Irtrawitt reiten, allerdings nicht unter meinem Namen. Zweifellos hat Maruv dafür gesorgt, dass ein Corlin jenseits der Eisenberge nicht willkommen ist.“ Noch während er sprach, entledigte er sich seines Umhanges und all
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