Jenseits der Eisenberge (German Edition)
lassen.“
Lark nickte und erhob sich. „Ich werde es ihm nicht sagen, Herr, kein Wort von der Weidenburg. Kein Wort von Fürst Naxander. Er weiß allerdings, dass ich aus Rashmind stamme und er ahnt, dass ich mehr bin als nur ein Priester. Ob ihm die politischen Implikationen dieser Tatsachen begreiflich sind, lässt er sich nicht anmerken. Ihr kennt ihn, ich muss Euch nicht sagen, wie gefährlich er werden könnte, wenn er nur wollte. Wie gefährlich es sein könnte, wenn er in falsche Hände gerät. Hände, die nicht zögern zu foltern, um sein Wissen herauszupressen.“
Sie maßen einander mit einem langen Blick. Dann nickte Lark erneut und verließ stumm den Raum.
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„Nikor, du musst weitergehen!“ Erek stand hilflos bei seinem Freund und Vetter, der sich panisch an die Felswände klammerte und dabei wimmerte wie ein verletztes Kind.
„Er spürt die Schatten, die auf uns warten“, sagte Lark leise. „Wir alle spüren sie. Viele werden von ihrer Angst überwältigt, der Instinkt, der uns warnt, unter keinen Umständen weiterzugehen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, hier zu versagen.“
Der Priester hatte sie am Morgen auf verschlungenen Wegen durch die Berge geführt, bis er plötzlich in einer Spalte verschwunden war, an der sie alle blind vorbeimarschiert wären. Dies war der Einstieg hinab in das Herz des Eisengebirges. Vom ersten Moment an hatten sie alle die Dunkelheit wie ein lebendiges Tier wahrgenommen, das sich an sie heranschlich und Urängste erweckte. Wie lange sie nun bereits Larks Fackel folgten, wussten sie nicht. Erek hatte Nikor schon seit einer Weile hinter sich herziehen müssen, obwohl er selbst am liebsten umgekehrt und schreiend hinausgerannt wäre. Es half dabei nicht allzu sehr, mit ansehen zu müssen, wie auch Lys sich immer wieder hastig umblickte. Wie er dem Priester nur zögerlich folgte und zusammenfuhr, sobald er die feuchten, rauen Wände des Tunnelganges berührte. Erek wusste nicht, ob er sich die Geräusche lediglich einbildete, die er hörte: Tiefe, an- und abschwellende Laute, als würde dort vor ihnen ein Riese liegen und langsam ein- und ausatmen. Die ganze Zeit über waren sie bergab gelaufen, mit jedem Schritt war die Luft wärmer, trockener und stickiger geworden. Das war widernatürlich! Nun waren sie zum ersten Mal aus dem engen und niedrigen Tunnel hinausgetreten und in einer kleinen Höhle gelandet, von wo aus gleich mehrere Gänge abführten. Lark hatte sich dem zugewandt, aus dem ihnen ein Schwall faulig stinkender Luft entgegenwehte. Die Dunkelheit darin schien nur sehr zögerlich dem Licht der Fackel weichen zu wollen und eine Spannung erfasste sie alle, als wäre irgendetwas – oder jemand – in der Nähe, der sie beobachtete. Jemand, der wütend über ihre Anwesenheit war.
Nikor hatte es genau bis zur Schwelle des Ganges geschafft, zitternd, kaltschweißig; hier war er nun in die Knie gebrochen und Erek wusste, er würde ihn nicht mehr zum Aufstehen zwingen können.
„Es ist möglich für ihn, allein zurückzulaufen, der Weg nach oben ist ungefährlich, verlaufen kann er sich nicht. Er müsste allerdings ohne Licht gehen“, sagte Lark mit einem duldsamen Ton, der offen ließ, ob er sich über diese Verzögerung ärgerte oder nicht.
„Der Weg ist uneben, er könnte stolpern und sich verletzen“, erwiderte Lys sofort. „Bevor Ihr zu ihm zurückkommt, müsste er dann viele Stunden allein dort liegen, dann könnte es zu spät sein, ihm zu helfen.“
„Ich will hier raus!“, wimmerte Nikor und klammerte sich weinend an Ereks Beine.
Erek wusste nicht, ob er ihn dafür schlagen wollte, überreizt und wütend über seine Schwäche, oder lieber seiner eigenen Angst nachgeben und ebenfalls heulend und klagend darum zu betteln, von hier verschwinden zu dürfen.
„Er könnte hier sitzen bleiben und auf mich warten“, fuhr Lark ungerührt fort.
„In absoluter Finsternis? Das würde ihn um den Verstand bringen.“ Lys zögerte, blickte dann zu Erek hinüber.
„Würdest du bei ihm bleiben? Zu zweit wäre das Warten sicherlich erträglicher, ihr könntet gemeinsam auch den Aufstieg wagen.“
„Wir … können Euch nicht … einfach so …“, stammelte Erek und verachtete sich selbst dafür. Es war albern, sich so zu fürchten, das war bloß ein Tunnel, sonst nichts! Der Priester hätte sie nicht hergeführt, wenn es hier echte Gefahren gäbe. Oder doch? Konnte man sicher sein, dass die Priester nicht auf Maruvs Seite standen
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