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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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fuhr zusammen, nicht nur vor Schmerz. Er hatte nicht vergessen, was Arkin ihm offenbart hatte. Orchym gefiel ihm, auf eben jene Weise, die strikt verboten war, und schmuggelte sich sogar in seine Träume hinein. All das verwirrte Lamár nur – woher kam dieses Verlangen? Wie sollte er reagieren?
    Das Lächeln verschwand von Orchyms ebenmäßigem Gesicht, besorgt packte er Lamár und schob ihn in den Schatten unter einen Baum.
    „Du fällst gleich um, so schlimm war’s schon lange nicht mehr“, brummte er. „Bleib da sitzen, ich hol Irla.“
    Lamár atmete erleichtert auf, als Orchym verschwand, und wischte sich über das schweißnasse Gesicht. Es war kein heißer Tag, auch wenn es dafür, dass der Herbst bereits alterte und der Winter nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, recht mild und sonnig war. Doch er fühlte sich überhitzt, als hätte er in glühender Sonne auf dem Feld gearbeitet, und kaum weniger erschöpft. Wenn er diese verfluchten Kopfschmerzen endlich loswerden könnte!
    „Na, wer sitzt denn da faul herum? Denkst wohl, nur weil heute Festtag ist, brauchst du nicht mit anzufassen?“
    Lamár reagierte zu langsam, als er die Stimme von Mattin hörte – schon traf ihn der Lederriemen, den alle Aufseher stets bei sich trugen, am Arm. Seit seinem ersten Tag in der Mine hatte Mattin es auf ihn abgesehen. Er provozierte Lamár, wann immer er konnte, machte Witze über dessen Gedächtnisverlust, nannte ihn einen armen Irren, den man besser von seinem Leid erlösen sollte. Alle Wächter spotteten über Lamárs Geisteszustand, die meisten ließen ihn aber in Ruhe, da er hart arbeitete und gehorsam war. Pocils strenge Hand sorgte dafür, dass Mattin nur selten ausfällig wurde, doch es war zu spüren, dass die Aufseher mit jedem Tag unruhiger und aggressiver wurden. Sie hatten wenig zu tun, verbrachten ihre Zeit häufig nur damit, auf die Rückkehr der Sklaven aus den Minen zu warten oder über diejenigen zu wachen, die auf den Feldern arbeiteten. Arkin hatte erzählt, dass Pocil sich häufig Schaukämpfe und andere Dinge einfallen ließ, um die Aufseher abends, sobald alle Sklaven in den Hütten eingesperrt waren, beschäftigt zu halten. Mattin war anzusehen, dass ihm das nicht mehr genügte. Die dunklen Augen, die Lamár spöttisch musterten, das runde Gesicht, gezeichnet von zu viel Schnaps und Langeweile, die zu einem höhnischen Grinsen verzogenen Lippen, all das forderte Lamár auf: Los, renn weg oder kämpfe, ich will dich jagen!
    Lamár spürte den Impuls aufzuspringen und Mattin solange zu verprügeln, bis der niemals wieder grinsen würde. Hastig schloss er die Lider. Eine Stimme in ihm flüsterte ganz leise, dass niemand, absolut niemand das Recht hatte, ihn so anzusehen. Ihn ohne Grund zu schlagen. Diese Stimme sagte ihm, wo Mattins Schwachpunkte waren, wie leicht es wäre, diesen Mann zu besiegen, ohne sich dabei auch nur anzustrengen. Dass Mattin zwar als Einziger der Aufseher eine Kampfausbildung genossen zu haben schien, doch schon lange nicht mehr gekämpft hatte. Lamár lauschte dieser Stimme, als würde sie in einer fremden Sprache reden. Die Kopfschmerzen waren zu stark, seine Augen brannten, genau wie Arme und Schultern, auf die Mattin einschlug. Ein wenig verwundert wurde Lamár bewusst, dass er zusammengerollt am Boden lag. Ein Tritt traf ihn seitlich, nicht heftig genug, um seine Rippen zu brechen, dennoch stöhnte er auf.
    „Was ist los mit dir, du Irrer, was fällst du einfach um? Hast du vergessen, wie man aufrecht sitzt?“, rief Mattin höhnisch über ihm.
    „Aufhören.“ Pocil. Lamár entspannte sich etwas, als er die Stimme des Lageraufsehers hörte.
    „Die Priester sind da, es dürfte ihnen nicht gefallen, einen halb totgeschlagenen Sklaven zu sehen, oder?“
    „Mebana, der hat da einfach faul rumgehockt, als wäre er der Herr hier“, verteidigte sich Mattin kleinlaut.
    „Arkin sagte mir, dass der schon wieder einen seiner Anfälle hatte. Dafür kann er nichts, kein Grund ihn zum Krüppel zu treten. Also lass ihn und verschwinde!“
    Ein weiterer Tritt, diesmal nur leicht und gegen die Schulter, ließ Lamár zusammenfahren. „Los, steh auf, Sklave, sonst mach ich dir Beine! Der Anfall ist vorbei, oder? Glaub nicht, du könntest deinen Irrsinn vorschieben, um dich vor allen Arbeiten zu drücken“, begann er, doch eine fremde Stimme fuhr dazwischen: „Haltet ein, bitte!“
    Trotz der höflichen Wortwahl ließ der Tonfall keinen Zweifel daran, dass dies

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