Jenseits Der Schatten
Totenschädel mit brennenden Augen. Seine Stimme war tonlos. »Um den Thron zu besteigen, hätte mein Vater die Kinder der Frau, die er liebte, töten müssen.«
»Und wie viele Kinder sind gestorben, weil er das nicht getan hat? Das ist die Bürde der Führerschaft, Logan: Entscheidungen zu treffen, wenn keine der Entscheidungen gut ist. Wenn ihr Edelleute nicht zahlen wollt, müssen andere es tun, Leute wie ich, Kinder, die überhaupt nichts haben.«
Logan schwieg lange. »Hier geht es nicht um meinen Vater, oder?«
»Wo zum Teufel ist deine Krone?!«, fragte Kylar scharf. Durch das Ohrringband konnte Kylar Vis Sorge wegen des Wirrwarrs seiner Gefühle wahrnehmen, die sie spürte. Verdammt - Kylar versuchte, sie auszusperren, die Gefühle zur Seite zu drängen.
Der große Mann wirkte mitgenommen. »Bist du jemals Jenine Gunder begegnet?«
»Wann hätte ich einer Prinzessin begegnen sollen?« Kylar brauchte einen Moment, um sich daran zu erinnern, dass Logan mit Jenine verheiratet gewesen war - wenn auch nur für wenige Stunden. Der von Khalidor angezettelte Staatsstreich hatte sich an eben dem Abend zugetragen, an dem Logan Hochzeit gefeiert hatte. Jenine war in Logans Armen verblutet.
»Man sollte meinen, ich wäre darüber hinweg«, fuhr Logan fort. »Ehrlich, ich hatte immer angenommen, dass ein Mädchen, das so schön und glücklich war wie sie, dumm sein müsse. Was für ein Arschloch ich war. Kylar, hast du jemals in die Augen einer Frau geschaut und festgestellt, dass sie in dir den Wunsch weckte, stark zu sein und gut und wahr? Ein grimmiger, nobler Beschützer? Als ich Jenine fand, habe ich etwas gefunden, das besser war, als ich es mir jemals zu erträumen gewagt hätte.« Kylar wollte es nicht hören. Es erinnerte ihn an Elene. Und wenn er an Elene dachte, würde seine Wut sterben. »Ich sollte diese Frau gegen Terah Graesin eintauschen?«, fragte Logan. »Ich konnte es nicht. Nicht für eine Krone. Nicht für irgendetwas.«
»Aber ich habe alle auf dem Schlachtfeld sich vor dir verbeugen sehen.«
»Ich habe meinen Treueeid geschworen …« Logans Stimme verlor sich.
Kylar warf verzweifelt die Hände hoch.
Logans Augen füllten sich mit dumpfer Trauer. »Ich habe getan, was ich für richtig hielt.«
~Man stelle sich einen König vor, der das tut.~
Kylar sah Logan an, wie er ihn nicht einmal in der Stunde angesehen hatte, als er ihn aus dem Loch rettete. Damals hatte er nur die körperlichen Wunden sehen können. Jetzt sah er mehr. Tief in Logans Augen wohnte der Schmerz. »Du würdest es wieder tun«, stellte Kylar fest.
Logan zwang sich zu einem schwachen Lachen. »He, ich habe bereits die ersten Zweifel verspürt.«
»Nein, das hast du nicht.«
Das Lachen erstarb. »Oh doch«, sagte Logan leise, ohne den Blick auch nur für einen Moment von Kylar abzuwenden, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Aber, ja, ich würde es wieder tun. Das ist der Mann, der ich bin.« Er war noch nie königlicher gewesen.
Lass mich ihn sehen. Kylar legte seinem Freund die Hand auf den Arm und sah Logan durch seine eigenen Augen, weniger attraktiv, sondern grimmig und primitiv im Dreck des Lochs, wie er weinend mit den Zähnen rohes Fleisch von einem menschlichen Bein riss. Da war er, wie er die Locher hasste, im Dreck versank und in seinen eigenen Augen zum Locher wurde. Da war er, wie er trotz des harten Knotens des Hungers, der Tag und Nacht an ihm nagte, sich dafür entschied, seine nächste Mahlzeit zu teilen, damit er seine Menschlichkeit nicht zur Gänze verlor. Da war er, wie er Essen verteilte und jene hasste, die es nahmen, aber er tat
es trotzdem. Dieser kleine Kern von Edelmut wurde zu Logans wichtigster Habe, und er hätte jeden Preis dafür bezahlt.
Tun, was man für das Richtige hält, war das Prinzip seines Freundes. Das, dachte Kylar, war der Grund, warum Logan wahrhaft groß sein könnte. Man konnte sich auf ihn verlassen. Er war loyal, er war aufrichtig, und er würde bis zum Tod kämpfen, um das Richtige zu tun. Immer.
»Wir haben beide einen ziemlich weiten Weg hinter uns gebracht«, sagte Kylar. »Du denkst, wir können Freunde sein?«
»Nein.« Grimmig schüttelte Logan den Kopf. »Nicht Freunde. Beste Freunde.« Dann grinste er, und das Gewicht des letzten Jahres schien von Kylars Schultern zu fallen. Sie waren die Art von Freunden, auf die man sich würde verlassen können. Für Kylar, der stets schmutzige Geheimnisse gehütet hatte, die alles bedrohten, war das Gefühl
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